Bericht vom 53. Prozesstag – Donnerstag, 19.05.2022

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Bericht vom 53. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 19.05.22.

Der 53. Prozesstag im Antifa-Ost-Verfahren begann am 19.05.2022 um 9:40 Uhr.Als Zeugen wurden der Soko-Linx-Beamte KK Martin Starick, ein Anwohner des Bulls Eye in Eisenach sowie der Neonazi Florian Melzer, welcher Brian Engelmann im Juni 2020 einige Male zu seinen Prüfungen begleitet haben soll, befragt. Der Prozesstag wurde überschattet von einem Angriff eines Rechten auf solidarische Begleiter:innen in der Mittagspause und anschließender Bullengewalt.

Befragung KK Martin Starick

Zu Beginn des Tages wurde der Soko-Linx-Beamte KK Martin Starick befragt. Gegenstand der Befragung war seine Auswertung von vier Videosequenzen aus einer Oberservationsmaßnahme aus dem Juni 2020, welche eine angeklagte Person  beim Betreten und Verlassen ihrer Wohnung zeigen sollten.

Wie mittlerweile bei Soko-Linx-Beamten üblich, wollte KK Starick abgesehen von seinem Namen, keinerlei Angaben zu seiner Person machen, da er „Beeinträchtigungen durch die linke Szene“ befürchte, insbesondere durch eine Ausforschung im Internet. Die Verteidigung tat diese Behauptung und Weigerung als „lächerlich“ ab, der Vorsitzende Schlüter-Staats zeigte sich jedoch verständnisvoll und sah kein Problem in der Forderung des Beamten.

Die zwanzigminütige Befragung des KK Starick verlief weitgehend ereignislos. Auf Fragen des Vorsitzenden erläuterte er zunächst kurz die Umstände der Auswertung der Videosequenzen. Er habe die sekundenlangen Videos vom Kollegen Mathe bekommen, erstellt worden seien sie vom MEK. Seine Sichtung der Videos habe am 22.06.2020 stattgefunden, zu einem Zeitpunkt nach den Hausdurchsuchungen am 10.06.2020. Sein Auftrag sei gewesen, zu dokumentieren, wann die angeklagte Person mit wem die Wohnung betreten und verlassen habe. Im Ergebnis habe sie die Wohnung in den Videos am Tag vor der Durchsuchung verlassen und sonst seien nur Unbeteiligte auf den Aufnahmen zu sehen gewesen. 

Neben diesen Angaben lieferte die Aussage des KK Staricks gegen Ende noch ein brisantes Detail: Starick gab an, dass die Videosequenzen mittlerweile beim Leiter der Soko-Linx, Michael Baum, lägen. In der Vergangenheit hatten mehrere Beamte der Soko-Linx im Verfahren angegeben, dass die Videos gelöscht worden seien/verschütt gegangen sein. Der Vorsitzende kündigte nach dem Hinweis der Verteidigung diesbezüglich an, dahingehend nochmal beim LKA nachzufragen. Es bleibt abzuwarten, ob die Soko-Linx-Beamten im großen Stil, vorsätzlich oder unbewusst, Falschaussagen getroffen haben.

Selbstlesekonvolute

Nach der unvereidigten Entlassung des KK Starick um 10:00 Uhr verfügte der Vorsitzende weitere Selbstlesekonvolute zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen. 

Die Verteidigung widersprach der Einführung eines Selbstlesekonvoluts, einer Fahrzeuginnenraumüberwachung vom 13.02.2020 mit vermeintlichen Bezug zum Tatkomplex Wurzen, mit Verweis auf die bereits mehrfach angebrachte Argumentation zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Innenraumüberwachung zweier Fahrzeuge.

An den Widerspruch anschließend gab die Verteidigung mehrere Erklärungen zum Gesprächsinhalt der Fahrzeuginnenraumüberwachung ab. Zentrum dieser war die wieder einmal einseitige Interpretation des Gesagten durch die Bundesanwaltschaft (BAW). Eine der angegriffenen Interpretationen durch die BAW betraf die Aussage einer unbekannten männlichen Person (UMP), deren Stimme vermeintlich die eines der Angeklagten sein soll: „Bitte lass es nicht den komischen, abgefuckten grauen Golf sein“. Die BAW zieht in der Anklage hieraus den Schluss, dass es sich bei dem Auto um das Auto einer angeklagten Person handeln würde.

Die Verteidigung arbeitete im Folgenden heraus, dass diese Schlussfolgerung alles andere als eindeutig ist. Zunächst ging es um die Farbe des Autos. UMP bezeichnete dies in der Aufnahme als „grau“, Das Auto der angeklagten Person hatte jedoch die Lackfarbe „reflektsilber“. VW bietet viele verschiedene grau und silbertöne als Lackierung an, welche sich unterschiedlichen Absatzes erfreuen. Dies spricht dafür, dass es für Käufer:innen und Durchschnittspersonen einen klaren Unterschied zwischen silber und grau gibt und sich der Schluss auf besagtes Auto somit nicht aufrecht erhalten lässt . Die Verteidigung beantragte, dass der Leiter einer VW-Lackiererei als Zeuge geladen wird und die Farbcodetabelle von VW Gegenstand der Beweisaufnahme wird. Weiter wurde beantragt, dass ein VW-Vorstand, Hildegard Wortmann, geladen wird, um die Aussage der Verteidigung zu bestätigen, dass von 4.92 Millionen verkauften VW Golf 4 in Deutschland jeder dritte grau oder silber ist.

Zudem trifft laut Verteidigung die Beschreibung des grauen Golfs als „abgefuckt“ auf besagtes Auto nicht zu, welches in einer eBay-Kleinanzeige aus dem August 2020 als gepflegt beschrieben wurde, was in der Anzeige mit entsprechenden Fotos belegt war. Zuletzt brachte die Verteidigung an, dass die Aussage „Bitte lass es nicht den komischen, abgefuckten grauen Golf sein“ darauf hindeutet, dass die UMP das Auto nicht kannte.

Weiter wurde die Aussage einer zweiten UMP, dessen Stimme ebenfalls einem anderen im hiesigen Verfahren Angeklagten zugeordnet wird, Teil einer Erklärung der Verteidigung. UPM sage in der Aufzeichnung aus der rechtswidrigen Innenraumüberwachung gegen 11:00 Uhr am 13.02.2020, dass sie mit anderen Personen rumlaufen könnten, er diese aber nicht kenne. Zudem wurde von Vermummung und Pfefferspray gesprochen. Die BAW zog aus diesen Aussagen Schlüsse zum Tatkomplex Wurzen. 

Die Verteidigung hielt dieser Interpretation eine weitaus naheliegendere Interpretation entgegen. Am 13.02.2020 hat es in Dresden linke Gegendemonstrationen zum Naziaufmarsch zum „Gedenktag“ hinsichtlich der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 gegeben. Die Angeklagten sind schon früher auf anderen Demos vermummt in Erscheinung getreten, worauf sich die Gespräche zur Vermummung beziehen. In Dresden wurden auf der linken Gegendemo am Nachmittag viele Vermummte festgestellt. Auch das „Rumlaufen“ bezieht sich auf die Demo. Diese wurde im Nachhinein von der Polizei als sehr „dynamisch“ bezeichnet. Zudem spricht das Rumlaufen der Angeklagten mit unbekannten Personen dagegen, dass es sich um ein in irgendeiner Weise „klandestines“ Verhalten handelt, welches der behaupteten Vereinigung zugrunde gelegt wird und es zudem nicht auf den Angriff in Wurzen passt, da dort kein „Rumlaufen“ stattgefunden hat.

Die Verteidigung schloss mit der Feststellung, dass von der BAW nur diese eine Interpretation des Gesprächs geliefert wurde, welche nicht einmal die Naheliegendste ist.

Zuletzt lud die Verteidigung im Selbstladeverfahren einen Kommunikationswissenschaftler als Sachverständigen zur Interpretation dieses und anderer Gespräche aus Innenraumüberwachungen als Zeugen in die Hauptverhandlung. Der Vorsitzende echauffierte sich hierauf, warum die Verteidigung das Selbstladeverfahren anstrengen würde und nicht, wie im Strafprozess üblich, einen Beweisantrag auf Ladung durch das Gericht stellen würde. Hierbei vergaß er, dass diesen Anträgen der Verteidigung von ihm und den beisitzenden Richter:innen systematisch nicht gefolgt wird, was durch die Verteidigung nochmal explizit dargelegt wurde.

Der Vorsitzende argumentierte, dass die Verteidigung anscheinend wenig Vertrauen in die eigenen Beweisanträge habe, ignorierte die vorhergehende Argumentation und gab an, ein zu Unrecht abgelehnter Antrag sei doch wie ein Sechser im Lotto für eine Revision. Die Verteidigung fragte nur noch, ob er denn davon ausgehen würde, dass sie Revision einlegen, da sein Urteil schon feststeht. 

Dazu sagte der Vorsitzende nichts, machte nur erneut deutlich, dass er keinen Sachverständigen benötigen würde, um das gesprochene Wort zu interpretieren.

In der anschließenden 15-minütigen Pause verließ Nebenklageanwalt RA Kruppe erneut vormittags die Verhandlung.

Nach der Pause wies die Verteidigung darauf hin, dass eine Journalistin nicht in den Verhandlungssaal komme, weil dieser bereits voll war. Die Verteidigung regte an, dass das Gericht die seit Prozessbeginn nur einmal veränderten geltenden Corona-Regelungen für die Zukunft ändern könne, um solche Situationen verhindern zu können und nicht gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz zu verstoßen. Der Vorsitzende reagierte genervt und weigerte sich, überhaupt darüber nachzudenken. In seinem Freundes- und Bekanntenkreis gäbe es trotz Impfungen viele Ansteckungen mit Covid und dieser subjektive Eindruck genüge ihm, um die Sitzplatzvergabe so zu belassen.

Befragung eines Anwohners des Bull’s Eye

Weiter ging es mit der Befragung von einem Anwohner in Eisenach, welcher Teile des Angriffs auf das Bull’s Eye in der Nacht vom 18. auf den 19.10.2019 beobachtet habe. Der Zeuge wurde zunächst ordnungsgemäß belehrt und schilderte dann knapp seine Erinnerungen an den Abend. Er habe bereits im Bett gelegen, als er durch laute Geräusche geweckt und zu seinem Dachgeschossfenster gegangen sei. Von dort aus habe er Menschen aus dem Bull’s Eye, zusammen mit einigen davor wartenden Personen, in Richtung Rewe rennen sehen. Am nächsten Vormittag sei er von einigen Polizist:innen befragt worden, die tatsächliche Vernehmung erfolgte erst circa zwei Monate später. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Schlüter-Staats betonte der Zeuge, dass er keinerlei konkrete Angaben über die heraus rennenden Personen machen könne. Ob diese zum Beispiel männlich oder weiblich gelesen wären, wisse er nicht. Im Protokoll der polizeilichen Vernehmung stand, dass die Person, welche „Alle zurück“ gerufen habe, sicher männlich gewesen sei, der Zeuge konnte sich hier jedoch nicht dran erinnern. Bei der fliehenden Gruppe habe es sich um circa 10 – 12 Menschen gehandelt, zumindest seien es nicht mehr als 15 Leute gewesen. Der Zeuge erklärte mitunter, dass das Erkennen der Personen derart schwierig gewesen sei, weil die Ecke um das Bull’s Eye nur sehr schlecht beleuchtet ist. Vor allem Gesichter ließen sich von seiner Position aus nicht erkennen. Nach mehrfacher Nachfrage des Vorsitzenden meinte der Zeuge sich jedoch daran erinnern zu können, dass die Personen vermummt gewesen seien.

Insbesondere in Bezug auf die Aussage eines anderen Zeugen vom 39. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren erlangte die Zeugenaussage der hiesigen Vernehmung an Bedeutung und unterstreicht die bereits damals festgestellte Unglaubwürdigkeit des Zeugen.

Dieser hatte am 24.03.2022 zum einen behauptet, einen Müllsack in der Hand der vermeintlichen Frau gesehen zu haben. Der heutige Zeuge konnte jedoch mit Sicherheit ausschließen, einen Sack, Müllbeutel oder Ähnliches gesehen zu haben. Auch konnte er sich nicht an ein Taxi erinnern, welches vor der Kneipe gestanden haben soll. Zudem erklärte der Zeuge, dass es vor seinem Haus nahezu keine Pflanzen oder Büsche gibt, hinter denen sich Personen gut verstecken könnten. Genau dies wollte der damalige Zeuge allerdings getan haben. Auf Nachfrage der Verteidigung wurde die Skizze vom 24.03.2022 geholt, um einen Abgleich, sowie ein besseres Verständnis über die Lage der Straßenlaternen zu erlangen. Vor dem Haus des Zeugen würde – entgegen der Aussage des damaligen Zeugen – nur ein Verkehrsschild stehen, keine Lampe. 

Letztlich wurde von der Verteidigung auf den Fakt eingegangen, dass der Vorsitzende Schlüter-Staats bereits vor der Vernehmung mit dem Zeugen telefoniert hatte. Dabei hätte er den Zeugen darauf hingewiesen, um welchen Tatkomplex es gehen würde. Entgegen der Dokumentationspflicht hat der Vorsitzende den Inhalt des Telefonats jedoch nicht schriftlich festgehalten, da er es nicht für notwendig hielt. Dies lässt die Frage offen, welche Dinge in den Augen des Vorsitzenden darüber hinaus nicht als dokumentationspflichtig erwogen werden. 

Der Zeuge verließ den Saal und es folgte eine Mittagspause von 12:40 – 13:45 Uhr. 

TW: geschilderte Polizeigewalt in der Mittagspause

In der Mittagspause wurden solidarische Personen vor dem Gericht von einem Rechten angegriffen, der schon mehrfach durch provokantes und gewaltvolles Verhalten aufgefallen ist. Er trug eine blaue LA Kappe und ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „No Excess“, ein Bild des Angreifers ist bereits auf Twitter veröffentlicht.

Herbeieilende solidarische Menschen wurden daraufhin von den dort stationierten Bullen weggeschubst, eine angegriffene Person zogen die Bullen mit Schmerzgriffen in eine Maßnahme. Eine weitere Person wurde ebenfalls brutal festgenommen und mit mehreren auf ihr knienden Bullen mit dem Körper und Gesicht in einem Ameisenhaufen fixiert. Den beiden Personen wird laut Bullenmeldung Körperverletzung bzw. Widerstand gegen „Vollstreckungsbeamte“ vorgeworfen. Zudem erteilten die Bullen, die inzwischen mit einem größeren Aufgebot und 7 Wannen vor Ort waren, für die Umgebung der Maßnahme mündlich Platzverweise und drohten auch den restlichen solidarischen Begleiter:innen mit Ingewahrsamnahme.

Während der gesamten Maßnahme wurden sowohl die anwesenden Verteidiger:innen als auch die solidarischen Begleiter:innen schikaniert und nur ein Verteidiger nach langer Diskussion zu den Festgehaltenen gelassen. Der Einsatzleiter Püschner rechtfertigte diesen Ausschluss und ihr Vorgehen mit inexistenten Rechtsgrundlagen.

Auf die Vorgänge in der Mittagspause wurde in der Verhandlung nicht weiter eingegangen, obwohl sie aufgrund der Vorfälle erst später weiterging als geplant. 

Nach der Mittagspause thematisierte die Verteidigung zunächst die besucher:innen- und presseunfreundliche Atmosphäre des Gerichts. So wurde ein Journalist der Sächsischen Zeitung aufgrund der Corona-Verordnung abgewiesen, da im Saal immer noch nur jeder vierte Platz besetzt werden darf und alle 39 Plätze schon voll waren. Theoretisch gibt es extra für diesen Fall einen Presseraum im Gericht, wo die Verhandlung übertragen werden kann, jedoch wurde dem Journalisten mitgeteilt, dass dort der Ton nicht funktioniere, woraufhin dieser wieder ging. Die Verteidigung sah deshalb den Öffentlichkeitsgrundsatz verletzt und wollten dies auch zu Protokoll geben, der Vorsitzende und die Staatsanwaltschaft lehnten dies jedoch ab. 

Befragung des Neonazis Florian Melzer

Am Nachmittag wurde der 32-jährige Zeuge Florian Melzer gehört. Melzer wurde vom Vorsitzenden als Freund des Neonazis Brian Engelmann vorgestellt, der ihn mit dem Auto bei der An- und Abreise zu Engelmanns Juraprüfungen begleitet hat.

Brian Engelmann wollte in seiner Vernehmung die Namen seiner Begleiter nicht bekannt geben und schloss mit dem Vorsitzenden nach Androhung von Strafen den Kompromiss, diese aufzuschreiben. Der Vorsitzende hielt sich jedoch nicht an die Vereinbarung, lud die Personen als Zeugen und nannte deren Namen im Saal mehrfach vor der Befragung und erneut bei der Aussage.

Zunächst wurde Melzer vom Vorsitzenden zur Organisation der Fahrgemeinschaften befragt. Er gab zu Beginn an, Engelmann nur ein bis zwei Mal begleitet zu haben, auf Nachfrage der Verteidigung sprach er dann von zwei bis drei Malen. Um den organisatorischen Part, also z.B. welche Autos genutzt wurden, habe sich Engelmann allein gekümmert. Der Vorsitzende sprach Melzer dann auf die Warnungen an, die Engelmann von der Polizei vor möglichen Angriffen erhalten habe. Melzer gab an, nichts von diesen Warnungen gewusst zu haben. Am Prüfungsort seien ihm auch keine Personen besonders aufgefallen.

In der Befragung durch die Verteidigung gab Melzer an, seine Freundschaft zu Engelmann sei gut. Als die Verteidigung nach Details zu der Begleitung fragte, z.B. wie viele Personen Teil der Fahrgemeinschaft waren, welche Art von Auto genutzt wurde und wo Engelmann im Auto saß, erklärte Melzer, sich nicht mehr zu erinnern. Auf die Nachfrage, ob er bereits wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurde, weigerte sich Melzer zu antworten – auch nach mehrmaligen Nachfragen durch den Vorsitzenden blieb er bei seiner Aussage, er wüsste es nicht sicher und würde sich vielleicht später noch erinnern.

Daraufhin warf Bodo Vogler von der Bundesanwaltschaft ein, dass Zeug:innen nur nach ihren Vorstrafen befragt werden dürften, wenn es absolut unerlässlich sei. Die Verteidigung erklärte, dass es offensichtlich ist, dass Melzer das Gericht vorführt und bereit ist, vor Gericht zu lügen. Der Senat zog sich dann zu einer Besprechung zurück und Melzer wurde aufgefordert, den Saal kurz zu verlassen.

Nach einer kurzen Unterbrechung kam Melzer wieder in den Gerichtssaal und die Verteidigung stellte den Antrag, dass dessen Aussage bezüglich einer Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wortwörtlich ins Protokoll aufgenommen werden soll. Der Vorsitzende lehnte den Antrag jedoch ab, da Melzers genaue Wortwahl nicht relevant sei.

Daraufhin befragten der Vorsitzende und die Verteidigung Melzer weiterhin nach dem Grund für die Begleitung von Engelmann. Melzer blieb bei seiner Antwort, dass die Begleitung rein zum Zweck der „logistischen Unterstützung“, also An- und Abreise, gewesen sei. Die Verteidigung stellte weitere Fragen zur Art und Größe des Koffers, in dem Engelmann wohl seine Bücher transportiert haben soll. Engelmann und dessen Begleiter:innen sollen laut Melzer keine Vermummung getragen haben und Melzer gab außerdem an, dass er mit Engelmann nicht über diesen Gerichtstermin gesprochen habe. 

Im Widerspruch zu Engelmanns Aussagen vom 06.04.22 sagte Melzer aus, er habe keine vermummten Personen gesehen, es hätte während der Fahrten zum Prüfungsort kein Autowechsel stattgefunden und er habe nichts vom geplanten Angriff auf Engelmann gewusst. Zudem gab Melzer an, er sei nicht der Fahrer bei der Begleitung von Engelmann gewesen, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Engelmann dessen Namen im Zuge der Befragung nach den Fahrer:innen aufgeschrieben hatte und Melzer eloquent genug für die Erscheinung vor Gericht hielt. Zu seiner Rolle in der „logistischen Unterstützung“ konnte er keine Angaben machen, da er weder gefahren sei noch Koffer getragen habe, blieb offen, wie eine derartige Unterstützung ausgesehen hat. 

Zum Ende der Vernehmung gab der Vorsitzende Melzer ein weiteres Mal die Gelegenheit, seine Aussage zur Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu korrigieren, wovon dieser aber nicht Gebrauch machte. Daraufhin wurde Melzer entlassen.

Inaugenscheinnahme von Bildern einer Hausdurchsuchung und einer Observationsmaßnahme

Im Anschluss wurden noch einige Bilder von einem Beutel, Mütze und einem Handy in Augenschein genommen, welche bei einer Hausdurchsuchung bei Angeklagten gefunden wurden. Dies wurde kombiniert mit Bildern aus einer unrechtmäßigen Observation vom 03.06.2020, weshalb die Verteidigung der Verwertung widersprach. Die richterliche Genehmigung für die Observation war bereits am 25.05.2020 ausgelaufen. In dem bei der Hausdurchsuchung gefundenen Beutel sollen Plastikstücke gefunden worden seien, mit denen man Türen öffnen könne. Dazu wurden dann Screenshots aus dem Graffiti Video „Total Hoax“ gezeigt, in welchem besagtes Öffnen von Türen mit Plastikflaschenstücken demonstriert wird. 

Nach einer kurzen Pause endete der 53. Prozesstag gegen 15:50 Uhr, weiter geht es dann nach dreiwöchiger Pause am 15. Juni um 9:30 Uhr am OLG Dresden.