Bericht vom 52. Prozesstag – Mittwoch, 18.05.2022

You are currently viewing Bericht vom 52. Prozesstag – Mittwoch, 18.05.2022
  • Lesedauer:8 min Lesezeit

Bericht vom 52. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 18.05.2022

Die Sitzung begann mit 25 Minuten Verspätung um 09:55 Uhr. Bei der Bundesanwaltschaft wurde Oberstaatsanwältin Geilhorn von Bundesanwalt Bodo Vogler vertreten. Da der Zeuge Polizeimeister Büchner krank war, wurden andere Beweistücke wie die Überwachungsvideos der Firma Feuerstein aus Eisenach von 14.12.2019 in Augenschein genommen. Zudem waren die Streifenbeamt:innen POMin Hobusch und POM Matin Helm zum Tatkomplex Brian Engelmann und KKin Peggy Bindel von der Kriminalpolizei Gotha wegen eines Aktenvermerks zum Überfall auf das Bull‘s Eye geladen.

Die Verhandlung begann mit Nachfragen zu Telefonaten im Regional Express von Dresden nach Leipzig am 15.02.2020 die über 5 Minuten dauerten und in einem angeblichen Zusammenhang mit dem Angriff auf Neonazis am Bahnhof Wurzen stehen sollten. Da das von KOK Michael Baum als vermeintlicher Beweis beschriebenen Gespräch erheblich kürzer war und ein anderes längeres Gespräch durch die Verteidigung gefunden wurde, sollten dazu noch Nachforschungen (wie viel Funkzellen wurden in Dresden abgefragt, warum wurde das Telefonat in Dresden einer B-Nummer und nicht A-Nummer zugeordnet) von KOK Michael Baum angestellt werden, weswegen er zu einem späteren Zeitpunkt erneut geladen wird, voraussichtlich am 15.06.22.

Die Streifenbeamt:innen zum Tatkomplex Brian Engelmann

Die erste Zeugin des Tages war POMin Hobusch von der PD-Leipzig aus dem Revier Süd-West. Sie wurde durch den Vorsitzenden Schlüter-Staats zu ihren Tätigkeiten am 08.06.20 im Zusammenhang mit der Gafahrenabwehrmaßnahme bei dem Neonazi Brian Engelmann befragt. Sie sagte aus, dass sie sich insgesamt schlecht an den Einsatz erinnern könne, da nichts auffälliges passiert sei. Ihre Aufgabe an dem Tag sei nur gewesen, Präsenz zu zeigen, da ein möglicher Anschlag auf Brian Engelmann bevorgestanden haben solle. Der Auftrag bestand somit nur darin, das Auto von dem Prüfungsobjekt von Engelmann in der Karl-Heine-Straße und an seinem damaligen Wohnort in der Fromannstraße zu platzieren und zu warten, bis der Einsatz beendet sei. Ihr seien in dieser Zeit nur die anwesenden Zivilbeamt:innen aufgefallen, sonst nichts. Um lange von dem Wohnort stehen bleiben zu können und von ihrer eigentlichen Tätigkeit abzulenken, taten die Beamt:innen so, als ob sie ein Verkehrsunfall bearbeiten würden, sie täten sie häufiger in solchen Situationen. An die zwei mysteriösen dunkel gekleideten Personen vor dem Prüfungsgebäude, welche KHK Daniel Mathe in seinem Bericht erwähnte, konnte sie sich nicht erinnern, könne sich jedoch vorstellen, dass es sich dabei um die Zivilbeamten gehandelt habe. Sie selbst habe das wohl nicht gemeldet, sei sich jedoch nicht sicher. Damit endete die Befragung der Zeugin um 10:30 Uhr.

Der zweite Zeuge des Tages war ihr 31-jähriger Kollege POM Martin Helm. Er erinnerte sich auch nur noch an einen normalen Einsatz zur Gefahrenabwehr, bei dem er Präsenz an der Karl-Heine-Straße zeigen sollte. Auf einer Karte, auf der er den Standort des Streifenwagens, ebenso wie seine Kollegin zuvor, eintragen sollte, zeichnete er einen anderen Standort als sie ein. Erst auf Nachfragen des Vorsitzenden konnte sich der Zeuge erinnern, dass der Einsatz auch an der Wohnanschrift Engelmanns fortgesetzt worden sei. Abgesehen von den Zeiten die er dem Einsatztagebuch (ELS) habe entnehmen können, konnte er sich an keine konkrete Situation erinnern. Somit konnte er nicht zu dem fingierten Verkehrsunfall, den mysteriösen zwei Personen in dunkler Kleidung oder einer weiblichen Person am Wohnort Engelmanns sagen. Er meinte sogar, er würde sich an einen fingierten Verkehrsunfall erinnern, da er so etwas noch nie gemacht habe. Im Zuge der Befragung des Zeugen erschien der Neonazianwalt Kruppe um 10:40 Uhr.

Aufgrund der Erkrankung des dritten Zeugen und eines fehlenden Alternativprogramms durch den Senat, folgte eine kurze Auseinandersetzung zwischen dem Vorsitzenden und der Verteidigung, der einforderte, dass die Angeklagten Einlassungen zur Person machen sollten und dies für derartige Lücken eine gute Gelegenheit bieten würde, diese zu füllen. Er nahm die Verteidigung mehrfach in die Verantwortung, dass nun eine längere Pause folgen würde, da diese nicht vorbereitet sei und den Prozess somit verzögern würde.

Er verkündete noch die kommenden Termine für den Prozess und wies darauf hin, dass die Verteidigenden, die schon einen Urlaub gebucht hätten, fahren könnten, da es aus diesem Grund ja zwei Verteidigende pro angeklagter Person gäbe. In dem Zusammenhang rief der Vorsitzende die Verteidigung erneut zu Disziplin auf und forderte, den Prozess nicht unnötig in die Länge zu ziehen und Anträge kürzer zu formulieren, um dann die Sitzung für zwei Stunden zu unterbrechen.


KKin Peggy Bindel und das Feuerstein-Video

Nach der Mittagspause wurde die 47-jährige KKin Peggy Bindel, welche beim Staatsschutz der KPI-Gotha tätig ist, befragt. Sie kam, wie alle anderen Eisenacher Polizeizeug:innen, mit dem Zeug:innenbeistand Hirschmann. Sie sollte zu einem Ereignis am 27.09.19 in Eisenach befragt werden, welches sie in ihrem Bericht vom 14.01.20 zum Tatkomplex Eisenach I, dem Angriff auf das Bull‘s Eye erwähnt habe. Als die Zeugin begann, ihren Bericht zu einer Personenvorstellung in der Nähe des Bull‘s Eyes zu rezipieren, legte die Verteidigung Widerspruch gegen diese Verlesung ein, da der Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt wurde, da die Zeugen nicht einmal Zeugin vom Hörensagen ist. Alle im Bericht enthaltenen Informationen hat sie einem weiteren Bericht entnommen, der nicht mehr vorliegt und daher ihre Angaben nicht überprüfbar sind. Sie gab an, nicht mehr zu wissen, wer den Ursprungsbericht zur Kontrolle verfasst habe, sodass auch diese Zeugen nicht gehört werden können.

Der Vorsitzende schrie lauthals bis zur Heiserkeit und ging die Verteidigung an, dass sie mit derartigen Einwänden den Prozess unnötig verzögere. Er unterbrach die Verteidigung mehrfach und entzog ihr mitunter das Wort und unterstellte ihnen, dass sie mit ihrer Argumentation „völlig falsch“ liegen würde.

Im Anschluss referierte die Zeugin, dass sie die Angaben zu der Personenkontrolle in polizeilichen Auskunftsdateien gefunden habe. Bei der Kontrolle wurden zwei Beschuldigte aus dem Verfahren festgestellt, wobei nicht gesagt werden konnte, ob diese zu Fuß, im Auto oder auf dem Fahrrad unterwegs gewesen seien. Sie hätten keine plausiblen Gründe angegeben, warum sie dort gewesen seien. Sie habe den Verweis nicht wortwörtlich abgeschrieben.

Neben dem Bericht der Zeugin, gibt es noch einen Vermerk des Staatsschützers KHK Morgenweck, welcher weitere Informationen zu dieser Kontrolle enthielt. Wieso das so sei, könne die Zeugin nicht sagen.

Die Zeugin interpretierte diese Kontrolle im Nachgang als eine Ausspähaktion des Bull‘s Eye. Die Verteidigung kritisierte, dass die Zeugin sich in ihrem Vermerk, nur auf einen Bericht der Streife vom 29.09.19 berief, welcher aus ungeklärten Gründen gelöscht wurde und somit weder Originalzeiten noch die Namen der Beamten vor Ort, noch den Ablauf der Kontrolle nachvollziehbar sind. Folglich widersprach die Verteidigung der Verwertung der Aussage der Zeugin zu dem Bericht zur Personenkontrolle.

Sie selbst habe nicht recherchiert, welche weiteren möglichen Gründe für die Anwesenheit der beiden Beschuldigten an dem Tag stattgefunden haben könnten, lediglich eine Kollegin Knobloch ermittelte, dass viele Stunden zuvor eine Veranstaltung von Klimaaktivist:innen stattgefunden habe. Ebensowenig wurde recherchiert, was am folgenden Tag in Eisenach stattgefunden habe. Der Vorgesetzte der Zeugin, Morgenweck, setzte in seinem Vermerk die Kontrolle in Verbindung mit einer Sachbeschädigung am 05.10.19 am Bull‘s Eye.

Auf die Nachfragen der Verteidigung, welche Berichte die Zeugin zur Vorbereitung auf ihre Vernehmung gelesen habe, antwortete sie widersprüchlich und ungenau, da sie zunächst davon sprach, nur ihren Vermerk gelesen zu haben, später gab sie jedoch an, auch den Vermerk von Morgenweck gelesen zu haben. Da der Vorsitzende die ausführlichen Nachfragen der Verteidigung erneut monierte und dies zu einer weiteren Diskussion führte, kündigte er erneut eine Unterbrechung von 15 Minuten an.

Als letzter Punkt auf der Tagesordnung stand die Einführung der Kameraaufnahmen der Überwachungskamera der Firma Feuerstein in Eisenach vom 14.12.2019 zum Tatkomplex Eisenach II an. Dabei wurden mehrere kurze Videosequenzen gezeigt, auf denen Autos zu sehen waren, die zwischen 0:23 und 3:12 immer wieder aus verschiedenen Richtungen an der Kamera vorbei fuhren. Damit endete die Verhandlung bereits um 15:55 Uhr.

Der nächste Prozesstag ist der 19.Mai 2022 um 09:30 Uhr am OLG Dresden.