Bericht vom 57. Prozesstag – Donnerstag, 07.07.2022

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Bericht vom 57. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 07.07.22.

Am heutigen Prozesstag waren keine Zeug:innen geladen, es wurden lediglich einige Lichtbildmappen angeschaut und diverse Anträge der letzten Monate durch den Senat abgelehnt. Es war ein kurzer Prozesstag mit viel Pause und wenig Gesagtem.

Zu Beginn machte der Vorsitzende Schlüter-Staats deutlich, dass ihn die drei mittlerweile gestellten Befangenheitsanträge nicht in seiner Arbeit tangieren, diese werden noch vom Senat geprüft. Es handelt sich nicht um die ersten Befangenheitsanträge gegenüber Schlüter-Staats in diesem Verfahren – die Umstände der weiteren Anträge finden sich in den Berichten des 1., 10., 13. und 38. Prozesstages.

Die Verteidigung gab im Anschluss eine Erklärung zur Aussage des Sachverständigen Professor Schmitz ab und machte erneut klar, dass die Deutung der Bundesanwaltschaft (BAW) in Bezug auf die Aufnahmen aus der Innenraumüberwachung keineswegs unumstritten richtig ist. Hinzu kommt, dass schon durch ein vorgebrachtes Alibi eines Angeklagten erwiesen ist, dass die BAW in mindestens einem Fall ihre Interpretation – trotz Wissen über den tatsächlichen Aufenthalt des Angeklagten zum Tatzeitpunkt – in die Anklageschrift aufgenommen hat. Der Senat ist dieser falschen Interpretation gefolgt und sollte nun durch die Ausführungen des Sachverständigen Schmitz darüber belehrt sein, dass eine Deutung des Inhalts der Gespräche allein auf Grundlage der Audiomitschnitte nicht möglich ist.

Inaugenscheinnahme diverser Lichtbildmappen

Zunächst wurden Bilder gezeigt, welche auf dem Telefon von Leon Ringl gefunden wurden. Hierbei handelt es sich um Fotographien, die Maximilian Andreas am 14.12.2019  auf der Wache in Eisenach von seinem Vernehmungsprotokoll gemacht hat und auf denen die Namen der damals Festgenommenen und heute Beschuldigten zu lesen waren. Diese Namen wurden im Nachgang auf dem Facebook-Profil des NPD-Funktionärs aus Eisenach, Patrick Wieschke, veröffentlicht.

Neben den Bildern der Protokolle wurden auch solche auf dem Telefon gefunden, welche heimlich aufgenommene heute Beschuldigte auf der Wache in Eisenach zeigten.

Hinzu kamen Bilder des verkauften VW Golf einer angeklagten Person, welcher in sehr gutem Zustand war. In einem Audioprotokoll war die Rede von einem „abgefuckten grauen Golf“, welcher eben dieser Person zugeordnet wurde. Die Bilder zeigten, dass das Attribut „abgefuckt“ für dieses Auto nicht zutreffend ist.

Hinzu kam die erneute Inaugenscheinnahme eines Videos aus dem Zug von Dresden über Wurzen nach Leipzig am 20.02.2020. In diesem fünfminütigen Ausschnitt waren die Neonazis aus Wurzen zu sehen, wie sie den Zug verließen. 

Hiernach wurden noch die Bilder des KHK Michael Baum von der Soko LinX gezeigt, welcher ein Telefon aufgrund einer Google-Suche sicher zugeordnet haben wollte.

Zudem wurden noch Bilder der Gegenstände einer angeklagten Person nach deren Festnahme gezeigt.

Den größten Umfang hatte die Inaugenscheinnahme diverser Bilder der Durchsuchungen vom 26.01.22. Hierbei handelte es sich um Fotos eines Dachbodens und zwei verschiedener Kammern, welche durchsucht wurden. In einer Lichtbildmappe, die am 17.03.22 durch KKin Kästner der Soko LinX erstellt wurde, wurden die gefundenen Gegenstände entpackt und nummeriert auf Bildern dargestellt. Diese Präsentation nahm viel Zeit in Anspruch, sodass der Vorsitzende dazwischen eine dreißig-minütige Pause anordnete.

Nach dieser Pause betrat der Nebenklagevertreter Kruppe den Saal um 11:25 Uhr. Er blieb bis zur Mittagspause um 12:00 Uhr und kam nicht wieder.

In einer der Dachboxen sollen persönliche Gegenstände eines Beschuldigten und diverse andere Dinge, wie Zahnbürsten und ein Kamm gefunden worden sein. In beiden Boxen sollen Dinge wie Handschuhe, Schutzwesten, Pfeffersprays, Kleidungsstücke, Teleskopschlagstöcke, Aufkleber, Simkarten, Hämmer, BTM-Tüten, Sturmhauben und diverses Anderes gefunden worden sein.

Ablehnung diverser Beweisanträge

Den Abschluss dieses Prozesstages bildete eine ganze Reihe aufeinanderfolgend abgelehnter Beweisanträge vom 08.12.22; 20.01.22; 23.03.22; 30.03.22; 13.04.22; 14.04.22; 27.04.22; 28.04.22; 19.05.22; 30.06.22.  Unter anderem ein Antrag auf die Bewertung von Leon Ringls Aussage(n) durch eine:n aussagepsychologische:n Gutachter:in. Der Senat und im Besonderen der Vorsitzende scheinen  sich ihrer Kompetenzen der eigenständigen Bewertung der mitunter sehr widersprüchlichen Aussagen des Faschisten Ringl und sehr sicher zu sein. Interessant wird diese Feststellung etwa vor dem Hintergrund der Befragung Böhms, in der erst die Intervention des Beisitzers Andreae beim Vosritzenden den Umstand zu erhellen schien, dass dessen Telefon nicht als Beweismittel ihm zugunsten, sondern als beschlagnahmt wegen eines gegen ihn gerichteten Verfahrens ergo „nicht auf Herrn Böhms Veranlassung“ dem LKA Sachsen vorliegt. Deutlich erzürnt von der Bloßstellung des Nichtverstehens drohte er Enrico Böhm sodann an, dass auch eine uneindeutige Formulierung eine potenzielle und zu ahnende Falschaussage sein kann. Kurz bevor der Vorsitzende den Saal verließ – ohne die Sitzung offiziell zu schließen und damit alle Beteiligten kurzzeitig orientierungslos zurückließ – äußerte er auf eine Nachfrage von RA Nießing zur zügigen Übergabe der noch ausstehenden Funkzellenauswertungen an die Verteidigung, dass der Senat bereits „überdurchschnittlich serviceorientiert“ sei. Gerade vor dem Hintergrund des Eklats des letzten Prozesstages, an dem die Verteidigung die Aufrufung Domhövers als Koronzeugen aus einem Zeitungsartikel erfahren musste, kann diese Aussage als nichts anderes als eine Farce verstanden werden. 

Der nächste Prozesstag ist der 20.07.2022 um 09:30 Uhr am OLG Dresden.