Bericht vom 37. Prozesstag – 17.03.2022

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Bericht vom 37. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 17.03.22.

Am 37. Prozesstag des Antifa Ost Verfahrens in Dresden wurde die Vernehmung des Eisenacher Neonazis Leon Ringl fortgesetzt.

Der Vorsitzende stellte einige wenige Nachfragen zu den Gegenständen, die die Angreifer mitführten und zu Beschreibungen der Kleidung der Angreifer. Ringl gab meist an, er könne sich nicht mehr genau erinnern, um dann vom Vorsitzenden Schlüter-Staats seine Vernehmung vorgehalten zu bekommen, welche er dann mit einem „ja, kann sein“ beantwortete.

Zum Vorfall im Bull’s Eye zurück gekommen, befragte der Vorsitzende den Zeugen nach der Größe der Durchreiche, die sich zwischen dem im vorderen Bereich befindlichen Gast- und dem hinteren Thekenraum befindet. Der Vorsitzende wollte noch einmal bestätigt haben, dass diese etwa vom Bauch bis zum Kinn des Zeugen reichte. Die Verteidigung wies hier den Vorsitzenden auf den falschen Vorhalt und die immer wiederkehrende suggestive Art der Befragung hin, was dieser lediglich mit „Für mich sieht das so aus. Punkt.“ beantwortete.

Da der Zeuge ähnlich wie am Tag zuvor so gut wie keine eigene Erinnerung mehr hatte, dafür immer wieder auf seine polizeilichen Vernehmungen verwies, diese sich aber ebenfalls stark widersprechen, versuchte das Gericht wenigstens dort Klarheit zu erlangen.

Ringl wurde in einer der sechs Vernehmungen zu den beiden Angriffen eine Lichtbildvorlage vorgelegt, allerdings blieb unklar, ob er darauf die vermeintlich weibliche Angreiferin identifizieren sollte oder die Dame, die vor dem Angriff nach der Toilette fragte. In der Hauptverhandlung gab er nun an, dass er glaube, es handele sich um Letztere. Allerdings beschrieb er in der Vernehmung zuvor Körperteile einer Person. Diese Körperteile befinden sich jedoch nicht auf der Lichtbildvorlage sondern lediglich die Köpfe verschiedener Personen. Die naheliegende Frage, welche Körperteile denn nun gemeint sind, blieb unzureichend beantwortet, es sei die allgemeine Statur gemeint gewesen.

Der Vorsitzende fragte weiter nach der Stimme der Frau, die nach der Toilette gefragt hatte, diese war dem Zeugen allerdings nicht erinnerlich, schließlich hatte er im Barbetrieb genug zu tun.

Einen Monat nach der Tat wurde der Zeuge allerdings wieder vernommen und konnte die weibliche Person plötzlich sehr gut beschreiben, danach befragt, gab er nur an, heute erinnere er sich jedenfalls nicht mehr, aber damals war ihm das wahrscheinlich einfach in Erinnerung gewesen. Ähnlich kontrovers verhielt es sich mit den weiteren Fragen. Zur Unterschiedlichkeit der Stimme der vermeintlich weiblichen Angreiferin und der Frau, die zur später Stunde nach der Toilette fragte, widersprach sich der Zeuge auch innerhalb der Vernehmung, von einem Verteidiger darauf hingewiesen, korrigierte der Vorsitzende die Aussage in der Art, wie er sie verstanden haben möchte, was auch vom Zeugen unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurde.

Zu den anderen Angreifern gab er auch unterschiedliche Angaben und Zuordnungen in seinen Vernehmungen und im Gericht. Er gab jedoch an, dass er davon ausgehe, dass sie zwischen 16 und 20 Jahre alt gewesen seien, da er dies älteren Personen nicht zutrauen würde.

Bei Fragen zur möglichen Motivation des Angriffs, war sich Ringl sicher, dass dieser von Linken ausgeführt wurde, konnte allerdings auch keine Anhaltspunkte dafür benennen. Das das Bull’s Eye als Neonazi Treffpunkt auch überregional bekannt ist, bestätigte er allerdings. Schon während der Betriebszeit des Vorbesitzers Arnold war die Kneipe als rechte Szenekneipe verschrien. Auch dessen Nachfolgerin, Frau Richard, die bereits das Zeitliche segnete, galt als NPD nahe. Leon Ringl übernahm dann im Juni 2019 die Räumlichkeiten. Zu der Zeit war er selbst auch schon bekannt als Neonazi.

Im folgenden musste Ringl zu seiner Beteiligung an diversen rechten Gruppen Auskunft geben.

Zu Knockout 51 gab er an, dass diese Gruppe mittlerweile aufgelöst sei und meist er der Trainer der Gruppe, die aus ca. 10 Personen bestand, war. Er sagte mehrfach, dass dies keine politische Organisation gewesen sei, verstrickte sich jedoch mehrfach in Widersprüche.

Der Nationale Aufbau Eisenach bestand mit diversen Vorläufern seit 2015, seit dem partizipierte auch Ringl. Die Gruppe löste sich allerdings in Folge diverser öffentlicher Outings 2018 oder 2019 angeblich auf. Ackermann und Andreas nahmen auch an der Gruppierung teil. Als Ziel gab der Zeuge an, man wollte eine politische Jugendorganisation aufbauen.

Sie organisierten hier Gemeinschaftsabende, gemeinsame Fahrten zu Demonstrationen und sogenannte Bildungsveranstaltungen.

Im Anschluss durfte die Verteidigung ihre Befragung vom Vortrag fortsetzen. Zunächst wurden die Verhältnisse im Bull‘s Eye abgefragt, wie hoch die Durchreiche zwischen Gast- und Tresenraum ist und wie sich die Aufregung in den Situationen selbst darstellte. Vom Tatgeschehen zum möglichen Hintergrund wurde im folgenden über den politischen Background von Ringl gefragt. So gab er Auskunft darüber, dass es sich bei Knockout51 lediglich um ein unpolitisches Sportprojekt handeln würde, auch wenn überwiegende organisierte Neonazis, die fast Deckungsgleich mit der ehemaligen faschistischen Kameradschaftstruppe „Nationaler Aufbau Eisenach“ sind.

Zur Atomwaffendivision (AWD) gab er an, dass er hiermit nichts zu tu gehabt habe, er sich lediglich in einem Forum mit einer Person bezüglich Videoschnitts ausgetauscht habe, die auch Videos für die AWD geschnitten haben soll. Bei der Befragung zu diesem Thema berief er sich nach mehrfacher Beratung mit seinem Nebenklageanwalt Kruppe (ehem. Tripp) auf sein Aussageverweigerungsrecht.

Er wurde zu zwei Interviews befragt, die er im Nachgang der Angriffe gegeben hat. In einem Interview mit Sebastian Schmidtke (NPD) habe er die Situation etwas reißerisch dargestellt. In einem anderen Interview mit NS-Heute gab er Tipps, wie man sich mit Alltagsgegenständen zur Wehr setzen könne. Er wisse nicht, was die Abkürzung NS bedeute, darüber habe er sich nie Gedanken gemacht.

Zu seiner Ideologie befragt, gab er an, er sei Nationalist, würde sich jedoch nicht vom Nationalsozialismus distanzieren. Er sei Antidemokrat, wolle jedoch weder die verfassungsmäßige Ordnung noch die freiheitliche Grundordnung abschaffen.

In Bezug auf die Weitergabe von Dokumenten und Informationen aus der Akte, gab er an, dass er damit nichts zu tun habe, er habe lediglich zweimal bei seinem Anwalt in die Akte geschaut. Das Bild des verletzten Schwaab habe er aber an Patrick Wieschke weitergeleitet.

Die Verteidigung erfragte noch verschiedene Hintergründe zu Anzeigen, die Ringl bekommen hat, bei den meisten davon leugnete er einen politischen Hintergrund.

In Bezug auf eine Hausdurchsuchung gab er an, dass diese wegen Gefahrenabwehr stattgefunden habe, es sei nach einer Waffe gesucht worden, jedoch ohne Ergebnis.

Bei einer Fahrt nach Tschechien, haben sie aber Schießtraining mit Sturmgewehren, Pistolen und Schrotflinten absolviert und die Reise „Tschechien-Feldzug“ genannt.

Im Anschluss gab der Vorsitzende noch alles aus den polizeilichen Vernehmungen zu Protokoll, an das sich Ringl angeblich nicht mehr erinnerte.

Die Verteidigung wollte nicht einen Antrag wegen der widersprüchlichen Aussagen des Zeugen, vor allem in Bezug auf das Wiedererkennen der Frau, stellen. Die Bundesanwaltschaft sah natürlich keinen Widerspruch und pickte die Teile der Aussagen des Zeugen, die ihre Annahme bestätigen.

Am Ende des Prozesstages kam die Verteidigung nochmal auf ihren Antrag vom Vortag zu sprechen.

Sie wollte wissen, ob die Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Alexandra Geilhorn, eine Erklärung abgeben wird. Sie reagierte schnippisch darauf und nahm keine Stellung zum Antrag oder dem Gesagten. Der Vorsitzende beschwerte sich darüber, dass dies nicht der Ort sei, um Entschuldigungen einzufordern

Die Verteidigung war irritiert und erschüttert, weil die BAW keine Notwendigkeit sehe, eine Erklärung abzugeben, es sich hier objektiv um strafbares Verhalten handeln könnte und es so scheint, als wäre es dem Senat unangenehm, dass dies hier thematisiert wird.

Der Vorsitzende argumentierte das bei so vielen Telefonüberwachungen und nach einem Jahr niemand mehr wisse, was am entsprechenden Tag passiert sei und gab an, dass sie dies doch alles überprüfen würden.

Die Verteidigung stellte daraufhin die Frage, wie er das denn machen würde, wenn die Inhalte nicht Teil der Ermittlungsakten sind, sondern sich lediglich in Spurenakten, welche beim BKA liegen, befinden. Ohne eine Antwort verließ er denn Saal und schloss die Sitzung um 16:50 Uhr.

Der nächste Prozesstag ist der 23.03.22 um 09:30 Uhr am OLG Dresden.