Grußwort der Mütter der angeklagten AntifaschistInnen

You are currently viewing Grußwort der Mütter der angeklagten AntifaschistInnen
Lalelu
  • Lesedauer:5 min Lesezeit

Im Rahmen der Kundgebung „Antifaschismus ist und bleibt legitim und notwendig!“ am 31.05.2023 vorm OLG Dresden hielten die Mütter der vier angeklagten Antifas folgendes Grußwort, das an dieser Stelle dokumentiert werden soll. Neben dem Grußwort hielten wir zwei Redebeiträge, die ihr hier und hier finden könnt.


Viele erwarten hier heute harte Urteile gegen die vier angeklagten AntifaschistInnen mit Haftstrafen für alle. Wir als Mütter unserer Söhne und Tochter, die wir kennen und lieben, hinter denen wir mit ganzem Herzen und mit unserer vollen Überzeugung stehen ….. wir Mütter glauben statt dessen noch immer an angemessene Urteile, denn wir haben den Prozess in großen Teilen selbst vor Ort verfolgt. Wir haben daher einen Einblick in die Beweislage. Angemessene Urteile, das sind für uns Freisprüche bis bewährungsfähige Strafen, wie es die VerteidigerInnen nachdrücklich gefordert haben.

Doch ganz unabhängig davon, wie die Urteile hier heute lauten: wir sind entsetzt, wütend und noch immer sprachlos. dass die vier AntifaschistInnen hier überhaupt mit einem derart aufgeblasenen Verfahren überzogen wurden, hoch aufgezogen am Oberlandesgericht, sage und schreibe über fast 100 Verhandlungstage. Wir haben in dieser unfassbar langen Zeit erleben müssen, wie magere Indizien zu Lasten unserer Söhne und Tochter interpretiert werden, wie auf Teufel komm raus an Narrativen festgehalten wird, wie Alibis vorenthalten werden um ein aufgebautes Narrativ nicht aufgeben zu müssen.

Wie konstruiert die Vorwürfe in weiten Teilen sind wurde spätestens klar, als mehrere Alibis präsentiert wurden, welche die Interpretationen der Generalbundesanwaltschaft bei den zugehörigen Anklagen ad absurdum geführt haben. Wenn nun dennoch an den übrig gebliebenen Interpretationen festgehalten und auf dieser Grundlage verurteilt wird, dann gilt ab jetzt im deutschen Strafrecht wohl die Beweislastumkehr.

Wenn unsere angeklagten Söhne und Tochter hier heute verurteilt werden aufgrund von mageren Indizien, zu denen die Verteidigung den Gegenbeweis nicht antreten kann, dann ist die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land offenbar ein sehr dehnbares Gut.

Es entsetzt uns auch zutiefst, erlebt zu haben und weiterhin zu erleben mit welcher Härte hier linke Strukturen verfolgt werden, während rechte und rechtsextreme Strukturen geschützt und verharmlost werden. Noch im Plädoyer vor wenigen Wochen hat der Vertreter der Generalbundesanwaltschaft hier gesagt, der rechtsradikale Überfall auf Connewitz im Jahr 2016 sei eine Demo gewesen, die etwas aus dem Ruder gelaufen sei. Einer der an diesem bürgerkriegsähnlichen Überfall beteiligten Rechtsradikalen ist daher auch vor wenigen Tagen zum wiederholten Male lediglich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Um eine solche Schonbehandlung zu erfahren, muss man offenbar Rechts sein.

Denn unsere Söhne und Tochter werden in diesem Prozess zu den schlimmsten Staatsfeinden stilisiert, die dieses Land angeblich zu bieten hat – was für eine Farce. Denn sie sind junge Menschen, die es niemals gutheißen, dass andere wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe bedroht, ausgegrenzt und drangsaliert werden, die sich niemals damit abfinden werden, dass Europa zur Festung wird und das Mittelmeer zum Massengrab. Zu diesen Werten haben wir Eltern sie erzogen, und wir sind stolz auf sie.

Nach den zu erwartenden Urteilen gegen die vier AntifaschistInnen heute hier in Dresden befürchten wir außerdem, dass die Anwendung des Paragrafen 129 inflationär wird. Es reicht die widersprüchliche Aussage eines unter Druck gesetzten sogenannten Kronzeugen, und die kriminelle Vereinigung gilt als bewiesen. Derzeit wird schon mal getestet, ob auch KlimaaktivistInnen mit der Androhung des Paragrafen 129 eingehegt werden können.

Und wenn hier heute harte Urteile fallen, dann fehlt einmal mehr die großartige Esther Bejarano deren berühmter Satz „Wer sich in Deutschland gegen Nazis engagiert kann sich auf den Staat nicht verlassen“ sich wieder einmal bewahrheitet.

Uns als Familien lässt der Tag heute verzweifelt zurück. Wir lieben unsere Söhne und Tochter, wir stehen hinter ihnen, und sie können immer auf unsere Unterstützung bauen. Wir haben hier auch neue Freunde gefunden in den solidarischen Menschen, die den Prozess so lange unermüdlich begleitet haben, und die unseren angeklagten Söhnen und Töchtern und auch uns als Familien soviel Unterstützung, Kraft und Zuwendung zuteil werden ließen. Danke dafür, diese Erfahrung bewahren wir in unseren Herzen. Wir haben neue Freunde gefunden.