Redebeitrag: „Die Gewaltfrage ist geklärt – der Staat hat das Monopol“ des Solidaritätsbündnis Antifa Ost

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Ktshcing
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Im Rahmen der Kundgebung „Antifaschismus ist und bleibt legitim und notwendig!“ am 31.05.2023 vorm OLG Dresden hielten wir folgenden Redebeitrag, der an dieser Stelle dokumentiert werden soll. Neben diesem hielten wir einen weiteren Redebeitrag, zudem hielten die Mütter der angeklagten Antifaschist:innen ein Grußwort.


Nach 97 Prozesstagen, über mehr als anderthalb Jahre, wurde nun der Prozess am Dresdner Oberlandesgericht gegen vier Antifaschist:innen wegen Angriffen auf Neonazis in Ostdeutschland und der Mitgliedschaft in beziehungsweise der Bildung einer kriminellen Vereinigung beendet. Die Strafen sind erwartbar hoch und die Begründung ebenso erwartbar schlecht. Seit dem ersten Prozesstag war klar, dass dieser Prozess ein politischer war. Schon die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft machte deutlich, dass dieses Märchen kein gutes Ende nehmen kann. Sie basiert auf vielen Indizien, die die Soko LinX unter hohem Erfolgsdruck zu einem unstimmigen Puzzle zusammengesetzt hat. Gebaut wurde ein Kartenhaus aus Hypothesen, welches der Senat in Beton gießen wollte. Jeder Hauch, der es hätte einstürzen lassen, musste krampfhaft abgewehrt werden, um das Gesicht nicht zu verlieren.

Es gelang der Verteidigung mehrfach, die ermittelnden Behörden zu überführen und ihre manipulierten angeblichen Beweise aufzudecken. So liegt in einem Fall das gezielte Zurückhalten eines Alibis zumindest sehr nah. Dies beeindruckte jedoch weder die Manipulierenden selbst, noch den Senat, da ja sie es sind, die entscheiden, was vermeintlich rechtens sei und was nicht. Der Vorsitzende Richter Schlüter-Staats sieht sich selbst als das Zentrum des ens. Nachdem er in den Prozessen gegen die rechte „Gruppe Freital“ und „Revolution Chemnitz“ hohe Haftstrafen verhängt hat, fühlt er sich befugt, ebenso mit Antifaschist:innen zu verfahren. Während des Prozesses wurde er nicht müde, zu betonen, dass er Nazis nicht mag, selbst organisierter Antifaschismus jedoch kein Mittel sein kann. Dieser stellt ja auch seine gesamte Existenz und den Apparat, der dahinter steckt, in Frage. Stets stellte er sich schützend vor die Bundesanwaltschaft und die aussagenden Bullen; attackierte mit Vorliebe die Verteidigung, die Angeklagten und das solidarische Umfeld. An keinem Prozesstag war zu übersehen, dass eine kritische Haltung zu seiner Autorität nicht akzeptiert werden kann. So schrie er wütend rum, unterbrach alle Prozessbeteiligten und bestand auf der Einhaltung archaischer Rituale, wie das Erheben zu Beginn und korrekter Sitzhaltung. Häufige sexistische Äußerungen rundeten das Bild des staatlich berufenen Patriarchen ab.

Es überrascht nicht, dass am Ende auch ein Ergebnis stehen musste, welches seinen Einsatz für den sogenannten Rechtsstaat legitimiert. An jedem Prozesstag wurde Lina mit einem rasenden Konvoi voller maskierter und schwer bewaffneter Uniformierter aus Chemnitz zum Gericht gefahren und dort in fast jeder Pause in den Keller gesperrt. Um den Hochsicherheitssaal zu betreten, mussten sich alle solidarisch Begleitenden begrapschen lassen und ihre Daten bei einem überaus unseriösen Team aus sächsischen Schließer:innen abgeben, draußen warteten dann erneut Uniformierte oder ein Helikopter. Dieses Schauspiel diente der staatlichen Propaganda, um die angeklagten Aktionen als willkürliche terroristische Gewalt darzustellen.

Dass es bei den vorgeworfenen Taten um Angriffe auf Neonazis, unter ihnen einige Kader, in Regionen wie Eisenach ging, schien eher irrelevant zu sein. Die Faschisten und ihre Gewalt wurden heruntergespielt, die ostdeutschen Zustände nur widerwillig und am Rande thematisiert. Dort, wo es zu sehr auf der Hand lag, ließen sie die Faschisten als zumindest bedingt glaubwürdige Zeugen auftreten und steckten sie anschließend selbst in den Knast. Somit war ihr Hufeisen wieder komplett.

Dass die Nebenklage und die Ermittelnden diverse Daten aus Ermittlungsakten an rechte Medien und Strukturen weitergegeben haben, interessierte den Senat wenig. Ebenso wenig stellt es ein Problem dar, dass Antifaschist:innen von Observationskräften beobachtet wurden, die Munition klauen und diese gemeinsam mit Nordkreuz verballern. Es ist so deutlich, dass die Ermittlungen gegen unsere Genoss:innen nicht einfach aufgrund des Erfolgsdrucks so märchenhaft ausgehen, sondern auch, aufgrund der zwingenden Nähe rechter Ideologie und deutscher Autoritäten.

All dies reichte nicht aus, um einen Zweifel an den Methoden der Behörden zu schüren und so verwundert es ebenfalls nicht, dass auch ein Kronzeuge mit einer recht klaren Aussagemotivation, als Goldgrube für das Gericht gewertet wird. Ein Vergewaltiger, der offensichtlich lügt und sich an früheren Gefährt:innen rächen will, wurde als wichtigster Zeuge mit offenen Armen empfangen.

Seine Aussagen und das schiefe Puzzle der Soko LinX reichten dem Senat, um ein Urteil zu fällen, das eine immense Tragweite hat. Eine kriminelle Vereinigung kann somit jede Konstellation an Menschen sein, die aus einer gemeinsamen politischen Motivation heraus handelt. Alle Ermittlungsbefugnisse, die damit einhergehen und die hohen Strafen bei einer Verurteilung sollen uns verängstigen, spalten und isolieren.

Auf juristischer Ebene war dieser Prozess nicht zu gewinnen. Ein politischer Erfolg kann es jedoch werden, wenn wir die Repression nicht einfach hinnehmen, uns nicht einschüchtern lassen und solidarisch gegen dieses System kämpfen.

Im selben Verfahrenskomplex gibt es noch diverse bekannte und unbekannte Beschuldigte, welche einen ähnlichen Prozess und ein jetzt schon sicheres Urteil erwarten. Einige von ihnen wurden bereits abgetrennt und sollen in anderen Konstellationen verhandelt werden. Gegen drei Beschuldigte wird ein Prozess in Meiningen wegen des Angriffs auf Leon Ringl und seine Kameraden in Eisenach erwartet. Viele weitere Beschuldigte müssen damit rechnen, in den nächsten Jahren in Dresden oder anderswo ein ähnliches Schauspiel über sich ergehen zu lassen. Die Repressionsbehörden brüsten sich mit einem großen Schlag gegen Antifaschist:innen, reichen den Kronzeugen von Behörde zu Behörde und werten fleißig alle Schnüffeleien in ihrem Sinne aus. Dieser Komplex wird noch einige Jahre Einfluss auf die linksradikale Bewegung haben und viele Herausforderungen bergen, die es zu bewältigen gilt.

Um uns gegen weitere Schläge und Auswirkungen derer zu wehren, müssen wir solidarisch zusammen stehen, uns vernetzen, uns austauschen, uns die Straße nehmen und voneinander lernen.

Wir sind alle 129! – Wir sind alle Widerstand!