Redebeitrag: „Danke für die Solidarität und Unterstützung“ des Solidaritätsbündnis Antifa Ost

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Ktshcing
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Im Rahmen der Kundgebung „Antifaschismus ist und bleibt legitim und notwendig!“ am 31.05.2023 vorm OLG Dresden wurde folgender Redebeitrag gehalten, der an dieser Stelle dokumentiert werden soll. Neben diesem hielten wir einen weiteren Redebeitrag, zudem hielten die Mütter der angeklagten Antifaschist:innen ein Grußwort.


Liebe Genoss*innen, Gefährt*innen und Freund*innen,

wir, das Solidaritätsbündnis Antifa Ost, wollen Danke sagen!

Über die letzten 2,5 Jahre haben alle von euch auf ganz unterschiedliche Weise ihre Solidarität gezeigt. Der heutige Protest ist so überhaupt erst möglich geworden. Bullen und Justiz konnten ihr Narrenspiel nicht ungesehen über die Bühne bringen. Im Gegenteil: Aus allen Winkeln der BRD und weit darüber hinaus, habt ihr Anteil genommen. Mit Solidaritätsbekundungen in Form von Bildern, Analysen, Grußworten und Aktionen. Und auch in Form von Kritik. 

Blicken wir auf unsere Arbeit zurück, sehen wir unterschiedliche Zielsetzungen. Die direkte Unterstützung der Angeklagten, Analysen und Berichte für die Bewegung und die Skandalisierung des Verfahrens in der Öffentlichkeit. Wir hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen, mit welcher Haltung wir das Mammut-Verfahren begleiten sollten. Schon bei der Einordnung des Verfahrens, besonders aber bei der Frage, wie offensiv unsere Arbeit dazu aussehen kann und darf, sind wir selten zusammen gekommen.

Doch erst mit den Outcalls gegen den Vergewaltiger und Verräter Domhöver und unserem Umgang damit kamen die tatsächlichen Brüche, beziehungsweise wurden diese sichtbar. Die Folgen waren große Vertrauensverluste uns gegenüber. Wir hatten im Vorfeld keine aktive Auseinandersetzung mit patriarchalen Dynamiken und sexualisierter Gewalt. Wir hätten sie haben müssen. Wir hätten sie spätestens dann beginnen müssen. Stattdessen kam ein sehr schleppender Prozess in Gang, den wir an anderer Stelle ausführlicher beschrieben haben. Was wir daraus mitnehmen ist auch, dass es Menschen gibt, die niemals in unseren Strukturen einen Platz hätten finden dürfen und wir dafür Verantwortung tragen müssen. Vor allem aber nehmen wir aus unserer internen Auseinandersetzung mit, dass uns der Fokus auf Einzelne wenig weitergebracht hat. Genauso wenig die Frage, wer das Label Täterschützer:in eigentlich verdient. Es sind grundlegendere Fragen: Für wen sind unsere Strukturen offen, für wen nicht? Wer gibt den Ton an und wer wird nicht gehört? Kritik und Selbstkritik an und von  cis-Männern ist Grundlage der solidarischen Zusammenarbeit – denn unsere Strukturen sind durchzogen von Dominanz und Gewalt. Auch an diesen Ansprüchen sind wir gescheitert. Wir sind auf dem Zahnfleisch gegangen und wurden weniger, weil Genoss:innen keinen Platz für sich im Bündnis gesehen haben und ihren Bedürfnissen und Ansprüchen nicht entsprochen wurde.

Wir sind dankbar, dass die Solidarität mit den Angeklagten und der politischen Sache trotzdem keinen Abbruch gefunden hat. Vielfach und mit kritischer Haltung haben Strukturen aktiv zum Verfahren gearbeitet. Als Solibündnis in einem 129-Verfahren möchten wir natürlich weder Namen noch Strukturen nennen. Aber wir wollen nachfolgend die Facetten der Solidarität würdigen: 

– Danke an alle, die den Prozess im Gerichtsaal begleitet und mit uns die Pausen geteilt haben. Über 98 Tage saßen meistens fünf bis fünfzehn manchmal sogar noch deutlich mehr solidarische Personen auf den Publikumsbänken und standen auf, um Lina und den anderen Angeklagten ihre Solidarität zu zeigen, statt dem Senat den verlangten Respekt zu zollen.

An vielen dieser Tage hat uns der Kaffee gewärmt, den Dresdner Genoss:innen gebracht haben. Morgens und Abends haben wir gemeinsam gewunken, wenn der Bullen-Konvoi mit Lina an uns vorbei kam. Danke auch für die fleißigen Gefährt:innen, die uns bei der Dokumentation dieser 98 Tage zur Seite standen.

– Danke für die vielen Kundgebungen und Demonstrationen in Thüringen, Leipzig, Dresden und direkt vor dem Oberlandesgericht. Zu verschiedenen Anlässen wurde damit Zusammenhalt geschaffen, „Trotz alledem“ sind wir „LinX“ geblieben.

– Danke für die Veranstaltungen vor der JVA Chemnitz. Sie haben Lina und ihren Mitgefangenen, aber auch uns gegenseitig viel Kraft gegeben. Die Organisator:innen haben ein Zusammenkommen der ganz besonderen Art geschaffen. Vor den erdrückenden Mauern wurde doch tatsächlich dann auch mal das Tanzbein geschwungen.

– Danke für die vielen anderen Aktionen, die in so unterschiedlicher Weise den gemeinsamen Kampf gegen die Repression formen. Um die Umweltbelastung der Sprühfarbe auszugleichen, die an europäischen Wänden und auf Transparenten #FreeLina fordern, müssen wir wohl irgendwo noch einen kleinen Wald pflanzen.

– Danke für die Auseinandersetzung mit dem Verfahren und auch mit unserer Arbeit. Solidarische Kritik ist und bleibt elementar in der politischen Arbeit und hat unsere nachhaltig beeinflusst. Selbst wenn wir nicht jeder gerecht geworden sind.

– Danke für die Finanzierung durch Strukturen, Soli-Bars, Einzelspenden und verschiedene, oft sehr kreative Wege, Spenden zu sammeln. Dieser Dank geht an die Personen, Kollektive, Labels und Versandhäuser, ohne die unsere Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Ihr habt uns damit auch den Rücken frei gehalten. Schafft rote Hilfe!

– Ein besonderer Dank geht an die Freund:innen und Verwandten, mit denen wir in den letzten 2 Jahren und darüber hinaus zu tun haben durften. Die solidarischen Umfelder sind der Kern vom Zusammenhalt gegen die Repression. Unsere haben viele Risse bekommen und Brüche erlebt. Deshalb geht dieser Dank auch explizit an die Freund:innen, die sich mit solidarischer Kritik distanziert haben. Den Zusammenhalt über einen so langen Zeitraum haben wir euch allen zu verdanken.

Leider wird es nicht das letzte Verfahren in diesem Kontext gewesen sein. Ein Vorzeigeurteil für die neue Anwendung des Paragraphen 129 ist gegeben und wir dürfen angespannt in die nächsten Jahre blicken. Die Repression wird nicht einfach mehr, sie wird in den nächsten Jahren aus unserer Sicht eine neue Qualität entfalten.

Davon wollen und dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen. Unsere Antwort ist natürlich Solidarität – aber wie? Aus unseren Fehlern kann und muss einiges gelernt werden: Eine aktive und solidarische Kritikkultur und gleichzeitig ein transparenter Umgang mit Vorwürfen, Fehlern und Differenzen sind unabdingbar. Abschließend dürfen wir nicht vergessen, dass es vor allem darauf ankommt, uns nicht unterkriegen zu lassen. Wir dürfen unsere Ziele nicht aus den Augen verlieren. Damit das möglich ist, muss die Auseinandersetzung mit Repression frühzeitig und nachhaltig passieren. So können wir es schaffen, nicht daran zu zerbrechen.

In diesem Sinne unverzagt – Rosa Luxemburg hat vor über 100 Jahren folgendes geschrieben:

„Mensch sein ist vor allem die Hauptsache. Und das heißt: fest und klar und heiter sein, ja heiter trotz alledem“.