Bericht vom 46. Prozesstag – Mittwoch, 27.04.2022

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Bericht vom 46. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 27.04.22.

Der 46. Prozesstag bestand aus zwei Zeugenvernehmungen – zum einen die des BKA (Bundeskriminalamt)-Beamten Andreas Wagner, der als Ermittlungsführer unter anderem mit den Observationsmaßnahmen in einem anderen Verfahren betraut war, zum anderen die des Dezernatsleiters Frank Born vom MEK Staatsschutz. Thema der Befragungen waren die, gegen Beschuldigte durchgeführten, Observationsmaßnahmen und Gefahrenabwehrmaßnahmen in Bezug auf Brian Engelmann im Juni 2020.

Der 46. Prozesstag begann mit einem Widerspruch gegen die Vernehmung des BKA Beamten Andreas Wagner, den der Vorsitzende nur widerwillig verließen lies.

Die Verteidigung widersprach der Erhebung und Verwertung der genannten Inhalte aus der Innenraumüberwachung in zwei Fahrzeugen aus einem anderen, vom BKA geführten, Verfahren.

In der Begründung legte sie ausführlich da, dass ein Anfangsverdacht für den Beschluss für die Maßnahme nicht vorlag und die gesamte Maßnahme rechtswidrig ist.

Im vorliegenden Fall wurden rechtliche Grenzen überschritten, da keine Katalogtat vorlag und die Daten trotzdessen in der hiesigen Hauptverhandlung verwendet werden sollen.

Zudem hat es keine rechtliche Grundlage für die Umwidmung gegeben, wie die Verteidigung schon in einem Feststellungsantrag am 08.12.21 ausführlich darlegte.

Jede erneute Einführung der Daten entspricht einem weiteren schweren Grundrechtseingriff und dies geschieht zudem ohne rechtliche Grundlage.

Die Anklage gegen einen Beschuldigten im hiesigen Verfahren beruht ausschließlich auf Interpretationen aus der Innenraumüberwachung. Er wird beschuldigt, in Wurzen an dem Angriff beteiligt gewesen zu sein und habe sich laut Anklage an der Ausspähung Brian Engelmanns beteiligt, die Beschuldigung wegen des Tatkomplex Eisenach I fällt aufgrund des Alibis, das die BAW (Bundesanwaltschaft) kannte und nicht einführte, schon weg. Somit geht es, wenn überhaupt, um ein Körperverletzungsdelikt, welches keine Katalogtat darstellt.

Es wurde erneut das generelle Problem des §129 und dessen Auslegung als Problem herausgestellt.

Würden im hiesigen Verfahren Indizien, wie die Interpretation der Innenraumüberwachung, weggedacht werden, so ergäbe sich kein Bezug mehr zu dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Die Oberstaatsanwältin der BAW Alexandra Geilhorn erwiderte, dass die Ausführungen einmal mehr um das Problem, dass Erkenntnisse aus der Innenraumüberwachung unrechtmäßig erhoben wurden, kreisen würden.

Sie erklärte, falsche Rechtsansichten würden durch Wiederholungen nicht besser und regte an, dass die Verteidigung nochmal nachlese.

Diesen Aussagen widersprach die Verteidigung und machte deutlich, dass Rechtsauffassungen auseinandergehen und sie inhaltlich von ihrem Widerspruch überzeugt ist.

Ein weiterer Verteidiger schloss sich dem Widerspruch mit einer eigenen Begründung an. In dieser hiess es, dass die Innenraumüberwachung keinerlei Grundlage für Vereinigungstaten bietet, sollte sie denn überhaupt für einzelne Taten eine Grundlage sein. Die Innenraumüberwachung kann nicht als Indiz nicht weggedacht werden, ohne dass so auch der Vereinigungsvorwurf wegfällt.

Der Vorsitzende Schlüter-Staats sagte, es sei dasselbe nochmal gewesen, nur auf den Punkt gebracht. Es sei schon mehrfach durch den Senat entschieden worden, dass die Innenraumüberwachung durch den Anfangsverdacht gerechtfertigt gewesen sei und der Widerspruch gegen die Vernehmung Wagners zurückgewiesen werde. Die Grundlage für den Verdacht der kriminellen Vereinigung bestehe und das habe der Senat ausgesprochen und dies habe sich bis heute nicht geändert.

Die Verteidigung beantragte einen Gerichtsbeschluss, welcher dann auch folgte.

BKA-Zeuge Andreas Wagner

Im Anschluss wurde der Zeuge Andreas Wagner, Erster Kriminalhauptkommissar beim BKA, 41 Jahre alt, in den Saal gerufen.

Das Beweisthema waren die Maßnahmen in einem andere Verfahren nach § 129 in Berlin, die in Form der Innenraumüberwachung teilweise zum hiesigen Verfahren hinzugezogen wurden.

Seit Sommer 2019 seien verschiedene verdeckte Maßnahmen durchgeführt worden, Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), Observationen und Innenraumüberwachung in zwei Fahrzeugen. In einem wurde im September 2019 und im anderen im Februar 2020 Technik zur Überwachung von Gesprächen verbaut und die entsprechenden Standortdaten wurden zur Auswertung zur Verfügung gestellt.

Laut Wagner ließen sich die Standortdaten in einer Karte anzeigen. Die Gespräche seien je nach Untergrund und Strecke nicht immer gut zu verstehen gewesen. Es sei ein Software- und ein Hardwareequalizer genutzt worden, um die Qualität zu verbessern, die Daten seien nicht verändert worden. Mehrere seiner Kollegen seien an der Auswertung beteiligt gewesen. Sie hätten die Gespräche verschriftlicht und sie sowohl protokolliert als auch zusammengefasst. Bei schwer verständlichen Gesprächen hätten zwei oder drei Kollegen daran gearbeitet und sie hätten kalenderwochenweise Vermerke erstellt und tabellarisch die Fahrzeugbewegung dokumentiert. Mit Fortschreiten der Maßnahmen sei es einfacher gewesen, die Fahrenden und die Mitfahrenden zu ermitteln. Teilweise wurden Mitfahrende an der Stimme erkannt oder es habe Hinweise auf die Identität gegeben.

Auf die Frage des Vorsitzenden, wie sie das Auto einer der Angeklagten ermittelt habe, gab der Zeuge an, sie hätten durch TKÜ-Maßnahmen von einem Angebot des Arbeitgebers erfahren, einen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen. Das LKA Berlin habe die Wohnanschrift ermittelt und es habe eine ständige Überwachung des Hauseingangs gegeben.

Wagner wollte nichts zu der eingebauten Technik sagen, gab jedoch an, dass diese 24/7 gelaufen sei und immer dokumentiert habe, sobald das Fahrzeug sich bewegt habe.

Die Standortdaten seien zudem in Einzelfällen auch mit anderen Erkenntnissen aus der Überwachung abgeglichen worden.

Der Standort sei immer aufgenommen worden, sobald sich das Fahrzeug bewegt habe, es sei aber eine Verzögerung möglich gewesen, ähnlich wie beim GPS eines Telefons. Es hänge möglicherweise auch damit zusammen, wie lang es dauere, bis die Person losfahre.

Die übermittelten Daten würden dann jedoch sowohl die Geschwindigkeit, als auch die Fahrtrichtung beinhalten.

In der Befragung durch die Verteidigung verwehrte der Zeuge Angaben dazu, ob er die Gespräche habe live mithören können, gab auf mehrfaches Nachfragen jedoch an, dass es unter 15 Minuten gedauert habe, bis er Zugriff auf die Aufnahmen gehabt hätte. Es sei aufgrund der unterschiedlichen Technik in den beiden Fahrzeugen aber auch unterschiedlich schnell gegangen.

Wo sich das Mikrofon befunden habe, wollte der Zeuge auch nicht sagen. Die Fachdienststelle OE 3, die für den Verbau der Technik zuständig gewesen sei, könne sich vielleicht dazu äußern und die Verzögerungen erklären.

Konkrete verdeckte Maßnahmen und das Gesinnungsstrafrecht

Hiernach wollte der Vorsitzende seine Befragung auf zwei Kalenderwochen fokussieren. Der Zeuge erläuterte Observationsmaßnahmen gegen mehrere Beschuldigte im Berliner Verfahren rund um den „Tag (((i)))“ in Leipzig im Januar 2020.

Zudem ging es um einen Urlaub des Angeklagten. Bei beiden Observationen wurden unterschiedliche verdeckte Maßnahmen genutzt, um die Aufenthalte angeblich zu ermitteln.

Der Vorsitzende kündigte die Verlesung eines Gesprächs aus der Innenraumüberwachung an, was von der Verteidigung wegen fehlenden Sachzusammenhangs beanstandet wurde.

Staatsanwältin Geilhorn von der BAW meinte, es ginge darum, aufzuklären, was der Angeklagte sonst so mache, es ginge um seine politische Einstellung und eine Gewaltaffinität.

Mit eben dieser Begründung wies der Vorsitzende die Beanstandung zurück und erklärte, der Sachzusammenhang in Hinblick auf die Tatvorwürfe liege auf der Hand.

Die Verteidigung forderte einen Gerichtsbeschluss und fügte hinzu, dass sie im hiesigen Verfahren schon oft in rechtlicher Hinsicht überrascht wurde, bisher vor allem in Bezug auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz und die Gewaltenteilung, neu ist jedoch das Gesinnungsstrafrecht.

Der Vorsitzende meinte, der Diskurs um Gesinnungsstrafrecht sei nicht mehr satisfaktionsgeeignet, wies den Widerspruch gegen die Einführung des Gesprächs zurück und verlas es.

Die Verteidigung wollte wissen, wer in diesem Gespräch die Identifizierung vorgenommen hat, woraufhin der Zeuge erklärte, dass das der erste Sachbearbeiter machen würde und Wagner selbst würde dann entscheiden, ob das stimme oder nicht.

Auf die Frage, wie viele Gespräche er selbst gehört habe, antwortete er mit „sehr viele“ und konnte dies nicht eingrenzen. Wer die erste Identifizierung vorgenommen hat, wisse er nicht, sie hätten dies jedoch auch mit der TKÜ abgeglichen und Hinweise wie die Fahrtziele in die Identifizierung miteinbezogen.

In Bezug auf den Tatkomplex Eisenach II, bei dem das Auto, welches dem Angeklagten zugeordnet wurde, geblitzt wurde, habe das BKA nachträglich auf Anweisung von Frau Geilhorn, seinen Aufenthalt für diesen Abend überprüft.

Den Abendverlauf schilderte der Zeuge aus dem Gedächtnis und erwähnte in diesem Zusammenhang beiläufig noch weitere Kenntnisse über Personen, die laut ihm mit dem Angeklagten in einer Beziehung stünden.

Auf den Teil der Befragung folgte die Mittagspause, welche für die solidarischen Zuschauer:innen länger wurde, da der Vorsitzende erneut darauf bestand, Aufnahmen aus der Innenraumüberwachung abzuspielen, was die Zuschauenden wiederholt kritisierten und den Saal verließen.

Im Anschluss wollte die Verteidigung wissen, wie der Zeuge und seine Ermittlungsgruppe auf die Bezüge zu anderen Strafverfahren in ihren Berichten gekommen seien. Wenn beispielsweise in einem Gespräch gesagt worden sein soll, „mit dem haben wir die Kneipe gemacht“ wurde der Bezug zum Tatkomplex Eisenach I im hiesigen Verfahren hergestellt. Der Zeuge gab an, dies sei ein Resultat aus dem Austausch mit anderen Behörden und Kenntnissen aus polizeilichen Nachrichten. Die Zentralstelle stünde im Austausch mit den Bundesländern und hätte dementsprechend die Erkenntnisse aus den anderen Bundesländern und aus dem BKA-geführten Verfahren in Berlin. Ob er in Bezug auf manche aussagen dort nachgefragt hat oder ihm das einfach so zugestellt wurde, konnte der Zeuge nicht mehr sagen, auch nicht, mit wem aus der Zentralstelle er in Verbindung gestanden habe.

Er habe jedenfalls mit den Staatsanwaltschaften in Verbindung gestanden und regelmäßig Kontakt zu Frau Geilhorn gehabt.

Das hiesige Verfahren sei ihm nur grob bekannt und er habe bislang nicht gewusst, dass der Beschuldigte in beiden § 129-Verfahren auch für den Tatkomplex Eisenach I angeklagt ist, das habe er erst durch die Forderung der Nachlieferung der TKÜ erfahren. Hierzu habe er mit dem Vorsitzenden telefoniert. Schlüter-Staats unterbrach bei der Befragung zu dem Kontakt zwischen dem Zeugen und ihm selbst mehrfach und gab dem Zeugen die Antworten vor. Es habe mehrere Telefongespräche und Emails gegeben.

Es ist offensichtlich, dass der Zeuge Kenntnis von der Anklage wegen des Tatkomplex Eisenach I hatte und auch, dass er die Angaben zu seinem Kontakt mit der Zentralstelle nicht wahrheitsgemäß darstellte. Die Anspannung war ihm anzumerken und für alle erkenntlich, dass er seine Erinnerungslücken und Unwissenheit gezielt platzierte.

Danach fragte die Verteidigung, ob der Angeklagte das Auto verliehen hat, was der Zeuge bestätigte und auch meinte, dies sei öfter vorgekommen. Zudem wollte die Verteidigung wissen, wie das BKA auf die Telefonnummer gekommen sei, die sie dem Angeklagten zuschrieben. Dies basiere wohl auf Hinweisen aus schriftlicher Kommunikation und Gesprächen anderer Personen, die darauf schließen ließen, dass das Gegenüber der Angeklagte gewesen sei.

Die Standortdaten des Telefons sollen nach dessen Ermittlung auch rückwirkend beantragt worden sein, der Zeuge wisse jedoch nicht, ob dies auch passiert sei.

Weiter fragte die Verteidigung, wie es sein kann, dass in den Vermerken geschrieben wurde, dass der Angeklagte der Fahrer gewesen sei, obwohl keine Gespräche stattgefunden haben. Hierzu sagte Wagner, dass dies entweder Kommentaren gegenüber anderen Verkehrsteilnehmenden oder den Fahrtzielen entnommen worden sei.

In Bezug auf die angebliche Fahrt nach Leipzig am 07.06.2020 konnte er auch nicht sagen, wie er darauf gekommen sei, dass es sich um den Angeklagten handeln würde. Er habe jedoch selbst mit KHK Mathe gesprochen und glaubte sich zu erinnern, dass er ihn um die Observation des Angeklagten gebeten habe. Hierfür benötige er keine Zustimmung der BAW und so etwas müsse auch nicht schriftlich festgehalten werden. Die Verteidigung wollte wissen, wie es zu der Gefahreneinschätzung gekommen sei, woraufhin sowohl Frau Geilhorn als auch Schlüter-Staats in die Befragung grätschten und erklärten, es gäbe keinen Sachzusammenhang, der Zeuge Mathe habe dargelegt, wie es zu der Einschätzung gekommen sei.

Dies erklärte jedoch nicht, wieso das BKA in Sachsen anrief und die Verteidigung äußerte Verwunderung darüber, dass dies den Vorsitzenden nicht zu interessieren scheint.

Die Verteidigung fragte nach einer kurzen Unterbrechung erneut nach der Art und Weise des Informationsaustausches mit der Zentralstelle. Dies wurde vom Vorsitzenden beanstandet und der entsprechende Gerichtsbeschluss hierzu wurde durch ein kurzes Abnicken des Senats gefasst. Die Verteidigung forderte dann, die Aussagegenehmigung des Zeugen in Kopie zu erhalten und es wurde erneut unterbrochen.

Hiernach wollten die Verteidiger:innen wissen, wie lange Überwachungsmaßnahmen gegen den Angeklagten durchgeführt wurden. Seit Sommer 2019 hätten verdeckte Maßnahmen stattgefunden, hierzu gehörten wohl die TKÜ der Email und auch des Telefons, zudem Observationen und der Einsatz technischer Mittel. Ob diese ganzen Maßnahmen zu Ergebnissen im Berliner Verfahren geführt haben, wollte der Zeuge nicht beantworten, da er meinte, er dürfe zu dem anderen Verfahren nichts sagen seine Aussagegenehmigung beschränke sich auf das hiesige Verfahren.

In Bezug auf das Alibi des Angeklagten für den Tatkomplex Eisenach I fragte die Verteidigung, ob das BKA auch da den Aufenthalt überprüft hat, so wie im Tatkomplex Eisenach II. Dies verneinte der Zeuge und gab an, es habe hier keinen ähnlichen Hinweis wie ein Blitzerfoto gegeben und der Auftrag der BAW, den Aufenthalt für den Tattag zu ermitteln, habe sich auf den Tatkomplex Eisenach II beschränkt.

Nachdem der Zeuge Wagner um 15.30 Uhr unvereidigt aus dem Zeugenstand entlassen wurde, legte die Verteidigung Widerspruch gegen die Verwertung aller seiner Zeugenaussagen zur PKW-Innenraumüberwachung und den daraus gewonnenen Gesprächsinhalten ein. Zwar auf diesen Antrag nicht eingehend, wies der Senat jedoch wie gewohnt die von der Verteidigung am 44. Prozesstag eingelegten Widersprüche gegen die Einführung von Observationsberichten zurück. Begründung: Die Einführung spezieller Observationsberichte sei zulässig und zweckmäßig.

Eine Verteidigerin nahm anschließend noch Stellung zu der Befragung des Zeugen Wagner und zur Frage, warum es für sie und ihren Mandanten so wichtig ist, zu verstehen, wie es zur Gefärdungseinschätzung der Behörden kam, als der Angeklagte im Juni 2020 in Leipzig war. Entgegen der Darstellung der Bundesanwaltschaft kamen zu diesem Zeitpunkt nicht immer mehr verdächtigte Personen in Leipzig an, sondern verließen, wie die Observationen zeigten, die Stadt teils schon wieder. Von einem „in Stellung bringen“ vermeintlicher Angreifer:innen kann also keine Rede sein. Da dem Angeklagten zu jenem Zeitpunkt weder eine Tatbeteiligung am Tatkomplex Eisenach I noch Wurzen vorgeworfen wurde, ist also unverständlich, wie die Einschätzung zustande kam, dass eine große Gefahr von ihm ausgehen würde.

Zeugenvernehmung Polizeizeuge Born

Nach einer kurzen Pause sollte es gegen 16.00 Uhr mit der nächsten Zeugenvernehmung weitergehen. Das Gesuch eines Verteidigers, einen Antrag bezüglich der vorherigen Zeugenvernehmung zu stellen, wurde vom Vorsitzenden kurzerhand auf später verschoben.

Der Kriminalhauptkommissar Frank Born vom MEK Staatsschutz (Dezernat 53 des LKA Sachsen) nahm im Zeugenstand Platz, begleitet durch den als Zeugenbeistand altbekannten Rechtsanwalt Hirschmann. Auch nun sollte es um Observations- und Gefahrenabwehrmaßnahmen in Leipzig im Juni 2020 gehen. Borns Abteilung habe im Mai und Juni 2020 Observationsmaßnahmen durchgeführt sowie auch an der Aktion zur Gefahrenabwehr um Engelmann teilgehabt. KHK Born selbst sei bei den Observationen gar nicht dabei gewesen – weshalb er zu der „generellen“ Verfahrensweise bei polizeilichen Observationen einiges, zu den tatsächlichen Geschehnissen im Rahmen des Einsatzes des MEK Staatsschutz vom 4. bis 6. Juni 2020 aber recht wenig sagen könne. Als Dezernatsleiter wisse er aber, was „seine Leute“ machen, sei informiert, wenn sie rausfahren und wenn sie wieder zurückkommen.

Die Befragung durch den Vorsitzenden drehte sich nun um die Observationsberichte und deren Zustandekommen.

Hier konnte Born zunächst nur erläutern, wie es im Generellen ablaufe: Bevor die Beamt:innen in den Einsatz fahren, würde ein Berichterstatter festgelegt, welcher dann, ebenso wie in der Regel der Einsatzleiter, währenddessen mitschreibt. Auch andere Kollegen seien dazu angehalten, aber das sei oft einsatzbedingt nicht oder nur eingeschränkt möglich. Nach Observation und Rückkehr in die Dienststelle würden sich alle beteiligten Kolleg:innen zusammensetzen und den Einsatz durchsprechen, woraus dann der Bericht vom Berichterstatter verfasst und vom Einsatzleiter auf sachliche Richtigkeit überprüft und unterzeichnet würde. Mit Stift und Papier und soweit auch nur die Theorie. Auch würden in der Regel während des laufenden Einsatzes Infos live „im Trupp“ per Funk durchgegeben. Auch in der Regel fände die Einsatznachbesprechung zum Abgleichen und Zusammentragen direkt nach Rückkehr vom Einsatz statt, der fertige Bericht würde schließlich ein paar Tage später verfasst.

Angesprochen darauf, dass die Berichte von einigen Observationstagen gar keine entsprechenden Lichtbildmappen mit Fotos enthalten, obwohl es sich aus Sicht des Gerichts um „interessante“ Stellen handelte, konnte Born nur vermuten, dass man dann wohl einfach keine Bilder machen konnte. Generell würde aber immer probiert, in wichtigen Situationen Bilder zu machen. Die Lichtbildmappen seien Bestandteil des Observationsberichtes und würden vom MEK Staatsschutz miterstellt.

In der Regel würden die Fotos von Kamera-Speicherkarten aller observierenden Einsatzkräfte nach dem Einsatz eingesammelt und die brauchbaren Lichtbilder zusammengetragen. Die im Bericht verwendeten Daten und Uhrzeiten zu den Fotos würden aus den Metadaten übernommen. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob die verwendeten Kameras auf Datum und Uhrzeit „geeicht“ wären, antwortete Born, dass zum Wechsel Sommer-/ Winterzeit die Uhrzeiten in den Kameras neu eingestellt würden, für die Korrektheit seien die Kolleg:innen jedoch selbst verantwortlich.

Warum in den zwei Wochen im Mai, also vor dem 4. bis 6. Juni 2020, keine Vermerke eingetragen wurden, konnte Born nicht aus seiner Erinnerung beantworten, er ging nur davon aus, dass dann wohl nicht observiert wurde. Wenn während Observation nichts passiere, so gäbe es trotzdem einen Bericht dazu. Wenn es keinen Bericht gibt, fänden keine Observation statt.

Den Vorsitzenden interessierte, warum auch zum 07. und 08. Juni 2020 keine dokumentierten Observationen in Bezug auf Lina vorliegen würden, obwohl diese doch das Hauptziel der Maßnahme darstellte. Born erläuterte, dass der 07.06. ein Sonntag gewesen sei, und am Montag, den 08.06.2020 viele Kolleg:innen des MEK Staatsschutz ebenfalls nicht im Dienst gewesen seien.

Stell dir vor, es ist Observation, aber keiner geht hin

Ein Vermerk aus den Observationsberichten, gezeichnet von dem:der Beamt:in mit der Kennnummer PKZ-50, besagte jedoch, dass sich das MEK an letzterem Tag im Einsatz befand. Born bestätigte: Am 08. Juni 2020 seien am späten Nachmittag „technische Mittel“ vor Linas Wohnhaus durch einen MEK-Beamten angebracht worden. Der eingesetzte Kollege habe, während er diese „Mittel“ auf den Hauseingang ausgerichtet habe, zufällig beobachtet, dass Lina mit einem weiteren Angeklagten das Haus betreten haben soll. Dies habe der Beamte gemeldet.

Der MEK-Beamte sei mit dem Anbringen der Mittel beauftragt worden, weil bereits klar gewesen sei, dass am 10. Juni 2020 die Durchsuchungsmaßnahmen stattfinden sollten. Ausgehend davon, dass „technische Mittel“ wohl „Kamera“ bedeutet, wurde Born gefragt, ob Fotos hiervon existierten. Soweit er wisse, nicht. Warum, wisse er auch nicht – er selbst sei am 10. Juni, also nach Ende der Gefahrenabwehrmaßnahmen um Brian Engelmann, in den Urlaub gefahren. Das MEK Staatsschutz würde generell keine Fotos bei sich behalten, sondern diese immer an den:die Sachbearbeiter:in geben. Der Einsatzleiter habe Born im Nachgang auch mitgeteilt, dass alle Unterlagen zur Sachbearbeitung, in dem Fall nach Thüringen, gingen.

Auf die Frage, woher der Beamte am Wohnhaus denn wusste, wen er dort am Hauseingang gesehen haben will, vermutete Born: Lina müsse ihm als Hauptzielperson aus früherer Observation bekannt gewesen sein, die zweite Person aus einem anderem Verfahren. Auf die Nachfrage, ob das MEK Staatsschutz als Amtshilfe für das Berliner Verfahren zuständig war, berief sich Born auf seine Aussagegenehmigung, aufgrund der er nichts dazu sagen dürfe. Der Vorsitzende erwiderte, dass es schon relevant wäre zu wissen, aus welchen Zusammenhängen der Kollege vor Ort wüsste, um wen es sich dort in seinen Augen handelte. Er würde sich jedoch auch damit zufrieden geben, wenn der:die Beamt:in „PKZ-50“, welche:r nächste Woche geladen werden solle, hierzu Auskunft geben würde. Auf sein Stichwort „Aussagegenehmigung“ schaltete sich auch noch Zeugenbeistand Hirschmann ein und erwiderte, dass die Zusammenarbeit unterschiedlicher Behörden nicht von Aussagegenehmigung gedeckt seien; hierfür bedürfe es einer erweiterten Genehmigung für Herrn Born, er sehe allerdings auch vonseiten des LKA keinen Hinderungsgrund, diese nicht zu erteilen. Die Verteidigung erklärte, dass die Frage, woher die betreffende Person dem Beamten bekannt war, sehr wohl dem Beweisthema zugehörig ist, bezüglich dessen der Zeuge Born hier und heute geladen wurde und somit auch dessen Aussagegenehmigung dies abdeckte. Schlüter-Staats stimmte zu und fragte den Zeugen in anderen Worten nochmal, ob der Angeklagte durch eine konkreten Beobachtung aus einem anderem Verfahren bildlich bekannt gewesen sei. Dies bejahte Born nun, das sei Gegenstand einer anderen Observationsmaßnahme gewesen, es habe Lichtbildmappen mit dem Gesicht des Angeklagten gegeben, wodurch dieser Kolleg:innen bekannt gewesen sei. Diese seien für den Gefahrenabwehreinsatz zusammengestellt worden durch den Kollegen Herrn Kunze. Auf welche Unterlagen er sich genau bezieht, konnte Born nicht mit Sicherheit sagen, ließ sich aber dankbar vom Vorsitzenden in den Mund legen, dass es wohl der Observationsbericht vom 29. Mai 2020 zum Observationstag 16. Mai 2020 gewesen sein müsse.

Ob nach der Beobachtung am 08.06.2020 mithilfe der „technischen Mittel“ noch Aufnahmen gemacht wurden, konnte Born nicht beantworten, nur vermuten, dass welche gemacht worden sein müssten, da für den 10.06.2020 vermerkt sei, dass Lina beim Verlassen ihrer Wohnung beobachtet wurde. Ein Vermerk von einem Herrn Stadig in den Berichten besage, dass „technische Mittel am 09.06. einsatzbereit“ gewesen seien. Wie diese zeitliche Diskrepanz zwischen seiner Aussage, dass die Mittel bereits am 08.06.2020 angebracht worden seien, zustande käme, konnte Born nicht beantworten. Er wisse nur, dass die Mittel bis zum 10.06.2020 im Einsatz gewesen seien. Ihm sei nicht bekannt, dass zusätzliche Mittel zwecks Gefahrenabwehr angebracht worden wären.

Dass eine Gefahrenabwehrmaßnahme zum Schutz von Brian Engelmann eingeleitet werden soll, so auch die Observation vor der Wohnung Engelmanns, sei dem KHK Born am Morgen des 08.06.2020 bei einer Besprechung im LKA mitgeteilt worden. Born sei „teilweise“ im Einsatzstab eingesetzt gewesen, wo er zuständig für die Kräfteplanung der MEK und die Koordinierung der Einsatzkräfte gewesen sei.

Der Vorsitzende fragte nochmals, warum keine Beobachtungen am 08.06.2020 an der Wohnung durch das MEK gemacht und vermerkt worden seien, wo doch eine akute Gefährdung für Engelmann an diesem Tag vermutet wurde. Born erwiderte erneut lediglich, dass das MEK Staatsschutz die Woche davor viel gearbeitet und an diesem Tag frei gehabt habe.

Weitere Fragen des Beisitzers zu den technischen Mitteln konnte oder wollte Born ebenfalls nicht beantworten – weder, ob es sich um eine Kamera handelte, die permanent aufzeichnete oder um etwas Ferngesteuertes, noch ob ihm bekannt sei, dass eine Auswertung dessen stattgefunden hätte. Dem Zeugen sei nur bekannt, dass am Tag der Durchsuchung am 10.06.2020 geprüft worden sei, ob Lina zuhause war.

Weiter fragte nun Oberstaatsanwältin Geilhorn: In einem Vermerk aus dem Februar 2021 des MEK Staatsschutz seien Observationsbilder des MEK Dresden im Kontext der Gefahrenabwehrmaßnahmen am 08.06.2020 kopiert und im Vermerk mit einer Einschätzung kommentiert worden. Auf die Frage, wie diese Kommentierung zustande kam, antwortete Born, sie hätten eine Anfrage von KHK Mathe vom LKA Sachsen bekommen, auf die hin Born selbst die Bilder mit den Observationsberichten abgeglichen und Übereinstimmungen erkannt habe. Es handele sich um lediglich zwei Bildaufnahmen vom MEK Dresden, die – so zwar nicht Borns Erinnerung, aber Vermutung – die durch Austausch der Einsatzleiter von MEK Dresden und MEK Staatsschutz im Rahmen der Gefahrenabwehr untereinander, in ihren Bestand gekommen sein dürften. Die Bildunterschrift „unbekannte weibliche Person mit Fahrrad“ habe Born dann jedoch selbst vorgenommen. Nicht vermerkt hingegen wurde der Zeitpunkt der Aufnahme, welche nicht unmittelbar, sondern erkennbar von einem Kameradisplay abfotografiert wurde – zumindest erkennbar für alle abgesehen vom Vorsitzenden, welcher dachte, dass es sich auch um den abfotografierten Blick durch ein Fernglas handeln könnte. Die Erstellungszeit der Fotos, so Born, sei ihrerseits nirgendwo sonst dokumentiert oder nachvollziehbar. Auf die Frage, wieso die Bilder von einer anderen Kamera abfotografiert worden seien, erfolgte Borns Begründung: Wenn man die Bilder schnell verschicken müsse, über Kommunikationsmittel wie „zum Beispiel Whatsapp“, so wäre es naheliegend, diese mit dem Handy vom Kameradisplay abzufotografieren. Das Publikum reagiert merklich irritiert auf die Bemerkung, dass Ermittlungsdaten per Messengerdiensten verschickt werden, der Senat nicht.

Die Verteidigung arbeitete in der weiteren Befragung nochmal einige offen gebliebene Fragen heraus. So auch, welche Erkenntnisse KHK Born aus eigener Erinnerung formulierte und welche nur auf Mutmaßungen basierten: Im Einsatzstab sei Born am 08. und 09. Juni 2020 dabei gewesen, nicht jedoch bei den Observationen zuvor vom 04. bis 06. Juni, ebensowenig wie bei der Auswertung der Observationsmaßnahmen. Somit ist alles, was Born auf die Durchführung dieser bezog, nur allgemeine Mutmaßung – zum Beispiel die Aussage, dass in manchen Situationen keine Fotos gemacht werden konnten. Hinsichtlich der Frage, wer die Lichtbildmappen zu den Berichten erstellt und die darin befindlichen Bildbeschriftungen getätigt habe, verwies Born auf den Einsatzleiter, der dies, im Gegensatz zu ihm, wissen müsste. Ob es parallel noch Observationen von anderen Diensten gegeben habe, beantwortete Born nicht, mit Verweis auf die Beschränkung seiner Aussagegenehmigung. Die Information, dass technische Mittel an der Wohnanschrift Linas installiert wurden, habe Born dadurch, dass er sich diese Woche in Vorbereitung auf seine Zeugenvernehmung mit dem betreffenden Kollegen unterhalten habe, der die Mittel installiert und die zwei Angeklagten dabei gesichtet habe. Der Kollege habe in dem Zwiegespräch nicht gesagt, wodurch er die beiden erkannt habe, es sei laut Born ein maximal 15-minütiges Telefonat gewesen und Born habe auch nicht nachgefragt, wie der Kollege auf die Namen der beiden Verdächtigen gekommen sei. Den Namen des Kollegen wollte Born mit Verweis auf seine Aussagegenehmigung nicht nennen. Man einigte sich, dass Born die PKZ-Nummer des Beamten schriftlich nachreichen könne und solle.

Die Verteidigung versuchte nun, dem Zeugen Born Erklärungen zum widersprüchlichen Hintergrund der (Nicht-)Observationen durch das MEK Staatsschutz abzuringen.

Vermutlich am 08. Juni 2020 gibt es die Vermutung, dass ein Angriff auf Brian Engelmann geplant sei. Genau an diesem Tag hätten das MEK Staatsschutz nicht gearbeitet. Die Verteidigung fragte, ob es so üblich ist, dass es, wenn es bestimmte Erkenntnisse hinsichtlich einer Gefährdung gäbe, der Erholungswert der Beamten darüber steht. Born verwies auf die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften, an die sich die Beamt:innen halten müssten und die Dienst- und Einsatzplanung, nach der sie am Sonntag und Montag, den 07. und 08. Juni 2020, frei hatten. Zu diesem Zeitpunkt hätte man von der akuten Gefährdungslage noch nicht gewusst, welche laut Born erst am Sonntag oder Montag früh bekannt wurde. Daraufhin sei entschieden worden, dass stattdessen das MEK Dresden aus der Landesbereitschaft in den Dienst herangezogen werden soll. Warum der Kollege, der am 08. Juni nachmittags noch die technischen Mittel angebracht habe, wenn denn keine Gefährdungslage bekannt war, beantwortete Born nicht. Auch sei dieser von der arbeitszeitrechtlichen Einschränkung nicht betroffen – „der durfte das“.

Ein Verteidiger von Lina betonte die Widersprüchlichkeit hierbei: Seine Mandantin wird als „Kopf einer Vereinigung“ dargestellt und dann wird dieser mutmaßliche Kopf genau an diesem Tag nicht observiert – eine bemerkenswerte Lücke. Er kündigte an, einen Beweisantrag hierzu zu stellen, um zu belegen, dass Lina sich genau an diesem Tag nicht im Umfeld des Wohnhauses Engelmanns aufhielt, sondern nachweislich zum Einkaufen und Essen in der Stadt unterwegs war. Demgegenüber behauptet die Anklageschrift, dass sie und andere „kampfbereit“ vor Engelmanns Wohnung aufgelauert hätten. Schlüter-Staats erwiderte, dass dies so nicht in der Anklage, sondern im Nebenklage-Antrag Engelmanns stünde – die Verteidigung wiederum entgegnete, dass Engelmann dies gänzlich aus der Anklageschrift abgeschrieben hat. Diese Auseinandersetzung vollzog sich lautstark, da die Verteidigung doch sehr überrascht und erzürnt war, dass der Vorsitzende nicht weiss, was in der Anklageschrift steht.

Auf Nachfrage eines Verteidigers bestätigte der Zeuge Born, dass Videoaufnahmen vom 08.06.2020 bis zum 10.06.2020 gemacht worden seien, ob und wo diese Daten gespeichert seien, entziehe sich jedoch seiner Kenntnis. Auch gäbe es seines Wissens nach keine weiteren Informationen oder Aufzeichnungen über Lina am 08.06.2020 abgesehen vom kurzen Vermerk, dass sie vor ihrer Wohnung gesehen worden sei.

Ob es Feststellungen über Linas Aufenthalt vonseiten der anderen Einheiten gegeben habe, die am Haus von Engelmann anwesend waren, verneinte Born ebenfalls. Es habe nur ein Foto einer unbekannten weiblichen Person gegeben – man habe zunächst angenommen, dass dies Lina sei, nach Prüfung habe sich aber herausgestellt, dass sie es nicht war.

Auf Frage der Verteidigung, wie viele seiner Beamt:innen genau am 08. Juni 2020 im Dienst waren, antwortete Born nur, dass es „die meisten nicht“ gewesen seien. Genaueres könne er, mit Verweis auf seine Aussagegenehmigung, dazu nicht sagen. Dabei blieb er auch, als die Verteidigung ergänzte, dass sowieso allen Prozessbeteiligten bereits bekannt ist, dass das MEK Staatsschutz insgesamt 26 Menschen umfasst.

Zu seiner Rolle im Einsatzgeschehen antwortete Born, dass seine Aufgabe im Führungsstab, während seine ganzen Kollegen nicht im Dienst waren, gewesen sei, Wissen und Fakten für die Gefährdungsbewertung einzubringen, und sich um die Schutzmaßnahmen für Herrn Engelmann und die Koordination der Observationskräfte zu kümmern.

Dem vorsitzenden Richter fiel daraufhin noch die Frage ein, woher ursprünglich die Mitteilung kam, dass ein Angeklagter am 07. Juni 2020 auf dem Weg nach Leipzig sei. Born wisse es nicht, vermute jedoch, dass diese Information vom BKA gekommen sei. Die Verteidigung hakte nach, welche Bedeutung diese Information gehabt habe und welche der ermittelnden Akteur:innen dieser Information initial überhaupt Bedeutung beigemessen hätten. Born antwortete, dass diese Information einen der Faktoren dragestellt habe, wieso die Gefährdungseinschätzung so hoch war. Nun meinte er, die Einschätzung sei einer:m der Kolleg:innen aus der Sachbearbeitung zuzuschreiben, vermuteter Weise Herrn Mathe. Ob irgendeine Staatsanwaltschaft hier auch zu beigetragen habe, könne Born nicht erinnern. Als er in den Stab gekommen sei, sei diese Entscheidung bereits gefällt worden.

Um 17.25 Uhr wurde der Zeuge Born unvereidigt entlassen. (Rückblickend sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Zeuge KHK Daniel Mathe am 43. Prozesstag mehrfach auf den KHK Born verwies, der angeblich viel mehr Auskunft zu gewissen Fragen geben könne.)

Die Verteidigung gab eine Erklärung nach §257 ab und zitierte aus der Anklageschrift die entsprechende Passage, die der Vorsitzende in der Anklageschrift zuvor nicht so gesehen haben wollte: „Zum geplanten Tatzeitpunkt am 08. Juni 2020 brachten sich die Angeklagten im Wohnumfeld in Stellung für den Angriff auf Engelmann, zwei Späher, einsatzbereit an der Universität.“

Schlüter-Staats erwiderte, dass er das zwar auch anders geschrieben hätte, aber er, anders als es die Verteidigung bereits ausgeführt hatte, in dieser Formulierung kein große Widersprüchlichkeit zur Beweislage sehe.

Schließlich stellte die Verteidigung einen Beweisantrag darauf, die Standortdaten aus der PKW-Innenraumüberwachung des Dienstfahrzeugs eines Angeklagten beizuziehen und als Urkunde zu verlesen.

Begründung hierfür sind die sich hervor getanen Diskrepanzen in der Dokumentation der erhobenen Standortdaten. So fand die erste Bewegung des Wagens am 7. Juni 2020 erst zu späterer Uhrzeit statt und auch der erste Startort war anders als vom Zeugen Wagner angegeben. Wagner hatte angegeben, keine Daten verändert zu haben. Der Beweisantrag solle zeigen, dass dem nicht so ist, sondern diese nachweislich verändert wurden.

Der Prozesstag endete um 17:30 Uhr.

Der nächste Prozesstag findet am 28. April 2022 um 9:30 Uhr am OLG Dresden statt.