Bericht vom 41. Prozesstag – Donnerstag, 31.03.2022

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Bericht vom 41. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 31.03.22.

Am 41. Prozesstag wurden zwei Polizeizeug:innen gehört. Die erste Zeugin war eine Fährtenhundeführerin der Polizei Leipzig, die im Oktober 2018 beim Tatkomplex Böhm eingesetzt war. Die zweite Polizeizeugin führte Auswertungen von Handys und einem E-Mailpostfach, das einem im abgetrennten Verfahren Beschuldigten zugerechnet wird, für das LKA Sachsen durch. Weiterhin stellte die Verteidigung Anträge zur Nichtverwertung dieses E-Mailpostfachs und zur fachlich mangelhaften Stimmidentifikation bei einer Innenraumüberwachung. Zum Ende des Prozesstages wurde ein Propagandafilm des Faschisten Sebastian Schmidtke in Augenschein genommen, in dem mehrere angeblich geschädigte Faschisten zu Wort kamen.

Erste Zeugin: Fährtenhundeführerin, Komplex Böhm

Als erste Zeugin war die Fährtenhundeführerin Linke von der Polizei Leipzig geladen, die im Oktober 2018 am Tatort im Komplex Böhm mit ihrer Hündin „Cobra“ eingesetzt gewesen sei. Der Vorsitzende befragte sie zunächst zum konkreten Einsatz. Bei diesem sei ihr vor Ort erklärt worden, dass es zu einer Körperverletzung gekommen und die Täter:innen in unbekannte Richtung geflohen seien. Ihr sei als Geruchsträger eine Plastiktüte gegeben worden, die bereits durch andere Beamt:innen eingetütet worden sei und sie habe ihre Hündin auf diese angesetzt. Die Hündin sei dann zunächst zum Hauseingang 24 des Faschisten Böhm, dann zu nahe stehenden Containern und anschließend über den Fußweg zurück zum Hauseingang gegangen. Zwischenzeitlich sei die Hündin immer wieder „gekreiselt“, wobei die Zeugin auf Nachfrage erklärte, dass Fährtenhunde dazu ausgebildet würden Spuren zeitlich zu folgen und es sich an diesem Tatort um einen recht engen Bereich gehandelt habe und die Hündin so häufiger in verschiedenen Richtungen prüfen musste, um der Spur weiterhin in zeitlicher Reihenfolge folgen zu können. Weiterhin wurde die Zeugin befragt, welcher Spur genau ein Fährtenhund folgt. Dabei erklärte sie, dass Fährtenhunde darauf trainiert würden immer der frischesten Spur auf einem Spurenträger zu folgen. Dies sei dann immer die Spur der Person, die den Gegenstand zuletzt berührt hätte und es sei dabei unerheblich, ob der Gegenstand zuvor von einer anderen Person deutlich länger berührt worden sei, vielmehr reiche eine kurze Berührung aus, damit der Fährtenhund die Spur aufnehme. Dies führte zu weiteren Nachfragen durch den Senat, der wissen wollte, was sei, wenn ein Gegenstand durch mehrere Personen gleichzeitig zuletzt berührt wurde. Dabei blieb die Zeugin bei ihrer vorherigen Aussage und gab an, dass auch Versuche bei Trainings gemacht worden seien, bei dem ein Gegenstand im Abstand von einer Minute von verschiedenen Personen berührt worden sei und ihre Hündin die Spur der Person, die den Gegenstand zuletzt berührt habe, gefolgt sei. Sie gab jedoch zu, dass es sich dabei um kein wissenschaftliches Experiment gehandelt habe, da es nicht mehrmals wiederholt worden sei. Insgesamt machten die Ausführungen der Zeugin zum Einsatz von Fährtenhunden den Eindruck, dass deren Training und Einsatz nur wenig wissenschaftlich begleitet wird und sich vielmehr daran orientiert wird, was scheinbar gut funktioniert.

Im Laufe der Vernehmung fragte der Senat die Zeugin, ob eine:r Fährtenhundeführer:in immer genau ein Hund zugeordnet sei. Dies bestätigte sie und gab an, dass sie ihre Hündin seit dem Welpenalter selbst aufgezogen und trainiert habe, sie mit einem Jahr in den Polizeidienst eingetreten sei und bei ihr zu Hause als Familienhund lebt. Weiter fragte der Senat, ob die Zeugin mit ihrem Hund zu diesem Einsatz von zu Hause oder von der Dienststelle aus aufgebrochen sei, woran sie sich aufgrund der langen Zeit nicht mehr erinnern könne.

Anschließend ging es dem Senat um den konkreten Einsatz und ob beim Ansetzen der Hündin auf den Spurenträger Material, wie z.B. andere menschliche DNA, übertragen worden sein kann. Die Zeugin beschrieb, dass der Spurenträger zum Ansetzen in eine Tüte gegeben wurde und die Hündin ihre Schnauze tief in diese steckte, um den Geruch aufzunehmen. Auf die Frage, ob dabei Material auf den Spurenträger übertragen werden könnte und ob der Hund vor einem Einsatz noch einmal gesäubert werde, gab sie an, dass ihre Hündin alle 14 Tage unter fließend Wasser gewaschen werde, extrem sauber sei und in ihrem Haushalt wie ein Familienmitglied lebe. Weiterhin sei tierische und menschliche DNA bei der Analyse unterscheidbar und es könnte höchstens sein, dass DNA von Personen aus ihrem Haushalt durch den Hund übertragen werden könne, dies sei ihr aber in ihrer 30 jährigen Polizeilaufbahn noch nie passiert. Auf Nachfrage konnte sie nicht sagen, ob ihre DNA bei der Leipziger Polizei zum Abgleich hinterlegt sei. Der letzte Einsatz, vor dem Einsatz bei Böhm, habe laut ihrer Schätzung ca. zwei Tage zurückgelegen. Auf die Frage, ob der Einsatz in Connewitz gewesen sein könne, entgegnete sie, dass ihr das ja aufgefallen wäre, weil Connewitz schon ein Begriff bei der Leipziger Polizei sei. Auf Nachfrage ob sie in Connewitz wohne oder der Hund dort Gassi gehe, gab sie an, dass sie weit weg auf dem Dorf außerhalb Leipzigs wohne und auch dort oder am Stadtrand von Leipzig Gassi gehe. Die Zeugin beschrieb ihre Hündin als „offenherzig“ und gab an, dass sie sich auch von anderen Menschen, außer ihr und ihrer Tochter, die eine enge Kontaktperson des Hunds sei, streicheln lasse.

Danach befragte der Senat die Zeugin zu Prüfungen, welche die Hündin für ihre Zulassung als Fährtenhündin benötigte. Die Zeugin erklärte, dass alle Fährtenhunde einmal pro Jahr eine Prüfung absolvieren müssen, wobei sie Fährten sowohl im befestigten (z.B. Wohngebiet) als auch im unbefestigten Gelände (z.B. Wald) verfolgen müssen. Ihre Hündin sei noch nie bei einer Prüfung durchgefallen.

Nach einer 15 minütigen Pause begann die Verteidigung mit ihren Fragen an die Zeugin. Zunächst fragte die Verteidigung, ob Fährtenhunde beim Einsatz gefilmt werden, was die Zeugin verneinte. Anschließend ging es um die konkreten Umstände, als die Zeugin am Tatort eintraf. Sie konnte nicht mehr sagen, wie lang die Tat bei ihrem Eintreffen zurücklag, woraufhin ihr die Verteidigung die Ankunftszeit 8:45 Uhr aus ihrem Bericht vorhält. Vor Ort sei ihr der Sachverhalt durch andere Beamt:innen mitgeteilt worden, was sie so in ihrem Bericht festgehalten habe. Die Tüte, die als Spurenträger genutzt wurde, sei auf dem Fußweg gefunden worden, der genaue Fundort sei ihr aber nicht mitgeteilt worden und sie konnte auch nicht sagen, ob dieser fotografiert worden sei. Ob der Spurenträger umgetütet worden sei, wisse sie nicht, sie gab aber an, dass sie immer frage, ob Einweghandschuhe und eine frische Tüte benutzt worden seien, sie sich dabei aber auf ihre Kolleg:innen verlassen müsse. Das Alter der Fährte sei ihr vor Ort nicht bekannt gewesen, weshalb sie es in ihrem Bericht als unbekannt angegeben habe. Auch die Witterungen vor Ort wurden im Bericht beschrieben, da diese wichtig seien, da durch bestimmte Witterungsbedingungen wie z.B. große Hitze oder starker Regen die Fährte verändert werden könne. In diesem Fall seien die Bedingungen aber gut gewesen. Nach dem Einsatz habe sie den Spurenträger in der Tüte an einen anderen Beamten zurückgegeben und sei sich relativ sicher, dass sie ihn verschlossen habe, da sie dies immer so mache.

Danach fragte die Verteidigung die Zeugin wie oft und an welchen Orten „Cobra“ im Einsatz sei. Die Zeugin gab an, dass dies je nach Jahreszeit stark variiere und sie im Winter ca. neun Mal pro Woche und im Sommer bis zu 25 Mal pro Woche im Einsatz sei. Im Oktober sei es ein Mittelwert. Schwerpunkte der Einsätze seien die Suche in Pflegeheimen und bei Familien. Dabei habe es bei ihrer Vorgängerhündin auch eine bis zu zehn km lange Tour quer durch Leipzig gegeben, eine Strecke von 1,5 km sei sehr normal für eine Fährtensuche.

Die Verteidigung befragte die Zeugin weiter nach den Merkmalen nach denen ein Fährtenhund die Fährte eines Menschen aufnimmt. Die Zeugin gab an, dass sich der Individualgeruch eines Menschen aus vielen Faktoren zusammensetze, u.a. ob ein Mensch raucht, was er isst oder trinkt. Diese Faktoren werde von Fährtenhunden einbezogen, um eine „Schablone“ des Geruchs zu bilden, anhand derer sie die Fährte der Person suchen würden. Fährtenhunde würden dabei nur auf menschlichen Geruch trainiert und nicht den Geruch des Gegenstands, der als Spurenträger genutzt wird, mit einbeziehen. Weiterhin führte sie aus, dass Gerüche wie Deo-Spray oder bestimmte Kleidung bei der Fährtensuche nicht stören würden, da sie nur einen kleinen Teil der „Schablone“ ausmachen würden, die der Hund mit der Fährte vergleiche.

Die Befragung durch die Verteidigung wurde durch den Vorsitzenden unterbrochen, der sich darüber beschwerte, dass die Verteidigung zu viele Fragen zum konkreten Erfolg des Einsatzes stelle, es bei der Befragung der Zeugin aber darum gehe, ob durch den Einsatz andere DNA an den Tatort gekommen sein könne.

Daraufhin befragt die Verteidigung die Zeugin nach dem Umfeld des Hundes, u.a. nach den Orten an denen die Zeugin mit der Hündin Gassi geht. Diese gibt, nachdem sie beim Gericht nachfragt, ob sie das beantworten müsse, an, dass sie meistens im ländlichen Umland Leipzigs Gassi gehe und dabei auch verschiedene Routen nutze. Ob bei ihr mal ein Abstrich zur Erfassung ihrer DNA bei der Polizei Leipzig gemacht worden sei, wisse sie nicht mehr, da sie bereits 25 Jahre im Polizeidienst sei.

Als die Verteidigung nach weiteren Kontaktpersonen der Hündin im Haushalt fragte, wurde die Zeugin zunehmend gereizt und gab an, dass sie solche privaten Fragen nicht beantworten wolle. OStA Geilhorn schaltete sich während der Befragung ein und beanstandete die Frage, da diese den persönlichen Lebensbereich der Zeugin betreffe. Auch der Vorsitzende wollte wissen, warum dies eine Rolle spiele. Die Verteidigung bat die Zeugin den Saal zur Beratung zu verlassen. Nachdem diese den Saal verlassen hatte, erörterte die Verteidigung, dass die Zeugin angegeben hat, dass ihre Hündin ihre Schnauze tief in die Spurenträgertüte gesteckt hat und deshalb erfragt werden muss, welche DNA dabei auf die später analysierte Spur übertragen worden sein könnte. Bei der DNA-Spur, die gefunden wurde und als Beweis ins Verfahren eingebracht wurde, handelt es sich um eine komplexe Mischspur, weshalb es von Bedeutung ist, mit welchen Personen die Hündin Kontakt hatte, da von diesen DNA zu dieser Mischspur beigetragen haben kann. Sowohl der Vorsitzende als auch OStA Geilhorn gaben gereizt an, dass die Spur bereits durch Sachverständige beurteilt worden sei und es nicht um die DNA von der Zeugin Linke oder deren Tochter gehe, sondern um die des Faschisten Böhm und von Lina, zu der es große Übereinstimmungen gebe. Daraufhin entgegnete die Verteidigung, dass es sich um eine Spur handelt zu der 5-6 Personen beigetragen haben sollen und sich die Einschätzung zur Übereinstimmung mit einzelnen Personen sehr stark verändern kann, wenn die DNA von weiteren Personen, die zur Spur beigetragen haben, wie z.B. die der Zeugin, den Sachverständigen bekannt ist, da somit einzelne DNA-Merkmale, die aktuell Lina zugeordnet werden, möglicherweise anderen Personen zugeordnet werden können. Dies kann die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Linas DNA handeln könne, erheblich verändern. Sowohl der Vorsitzende und Geilhorn richteten polemische Fragen an die Verteidigung, ob sie nun von allen Personen, die auf dem Sofa der Zeugin sitzen, DNA nehmen wolle. Die Verteidigung entgegnete, dass es nicht darum geht, wer auf dem Sofa der Zeugin sitzt, sondern dass es relevant ist, wer intensiven Kontakt zur Hündin hatte. Geilhorn sagte weiter, dass dies aber höchst privat sei, woraufhin die Verteidigung entgegnete, dass dies ja zeigt wie schlecht die Mischspur ist, die die Staatsanwaltschaft und der Senat als Beweis heranziehen wollen, wenn zur Überprüfung dieser solch private Informationen nötig sind.

Nach dieser Diskussion betrat die Zeugin wieder den Saal und wurde anschließend befragt, wie viele Personen im Haushalt Kontakt zur Hündin haben, was sie mit drei Personen beantwortet, anschließend aber wütend sagt, dass das das letzte sei, was sie sage und sie sonst einen Antrag bei der Staatsanwaltschaft stelle. Daraufhin wurde die Zeugin unvereidigt entlassen.

Widerspruch Stimmidentifikation Innenraumüberwachung

Nach der Zeuginnenvernehmung verlas die Verteidigung einen Widerspruch zur Verwertung der Zeugenaussagen des SOKO Linx Mitglieds Reimar, der am 40. Verhandlungstag vernommen wurde und des Polizisten Junghanß, der ebenfalls dazu ausgesagt hatte. Es ging dabei um die angebliche Identifikation einer Stimme aus einer Fahrzeuginnenraumüberwachung. Bei der Identifikation, die zwischen dem BKA und der SOKO Linx hin und her gereicht wurde, wurden keinerlei Kriterien für eine zuverlässige Stimmidentifikation eingehalten. Stattdessen bezogen sich die Institutionen aufeinander und stellten dies als doppelte Überprüfung der Identifikation dar. Die Zeugen hatten angegeben, dass sie die Stimme als die eines der Angeklagten identifiziert hätten, nachdem sie dessen Stimme kurz bei einer Hausdurchsuchung gehört hätten, wobei ein Großteil der Kommunikation dabei per Telefon stattgefunden habe, was die Stimmeigenschaften stark verändern kann und die angebliche Identifikation erst erhebliche Zeit nach der Hausdurchsuchung und aus dem Gedächtnis der Beamten stattgefunden hat.

Während der Verlesung wurde RA Nießing mehrfach durch den Vorsitzenden unterbrochen, der sich darüber beschwerte, dass Nießing sich auch auf die Vernehmung des Polizisten Junghanß beziehen würde. Obwohl die Verteidigung klarmachte, dass ein direkter Zusammenhang zwischen den beiden Vernehmungen besteht, unterbrach der Vorsitzende immer wieder und wurde dabei laut. Als ein Verteidiger um eine kurze Unterbrechung bat, da sein Mandant auf Toilette musste, ignorierte er dies einfach. Am Ende der Verlesung des Antrags kam es zu Beifall aus dem Zuschaue:innenraum. Der Vorsitzende stürmte wütend aus dem Saal, ohne die Länge der Mittagspause anzusagen.

Widerspruch Verwertung E-Mail-Postfach

Nach der Mittagspause verlas die Verteidigung einen Widerspruch zur Verwertung von E-Mails eines in einem abgetrennten Verfahren Beschuldigten. Sie ging dabei darauf ein, dass aus den Mails keinerlei tatbezogene Kommunikation hervor geht und darin keine Angaben zu schweren Straftaten geschildert werden. Die Verteidigung widersprach der Verwertung sämtlicher Daten aus dem Postfach und führte aus, dass auch die Persönlichkeitsrechte von Dritten durch die Verwertung angegriffen werden. Außerdem wies die Verteidigung darauf hin, dass die Inhalte des Postfachs nie korrekt beschlagnahmt, sondern nur sichergestellt wurden, was eine Verwertung im Gerichtsverfahren ebenfalls verbietet. Die Verteidigung wies außerdem darauf hin, dass die von der Verwertung der E-Mails Betroffenen keinerlei Möglichkeit hatten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Der Vorsitzende entgegnete darauf nur, dass dann eben die relevanten Sachen noch beschlagnahmt werden. Weiterhin brachte er einen zynischen Kommentar zu den veröffentlichten Outcalls des Täters sexueller Gewalt Johannes Domhöfer und stellte die Frage in den Raum, ob diesem vor Veröffentlichung rechtliches Gehör gewährt worden sei. Die Verteidigung wies ihn daraufhin zurecht, dass der Vorsitzende ein sehr fragwürdiges Verständnis davon hat, wer wem rechtliches Gehör geben muss. Anschließend wurde sich darauf geeinigt, dass die folgende Zeugin Kästner, die auch an der Auswertung des E-Mailpostfachs beteiligt war, bis zu einer Entscheidung über die Verwertbarkeit der E-Mails nicht zu Inhalten, sondern nur zu den technischen Umständen der Auswertung befragt werde.

Zeugin Kästner, Auswertung Handy und E-Mail-Postfach

Die Zeugin Konstanze Kästner ist Polizistin beim LKA und wurde bereits zuvor in diesem Verfahren vor Gericht vernommen. Ihre Personalienangaben wurden vom Vorsitzenden nicht erneut überprüft, sondern nur auf ihre vorhergehende Befragung verwiesen. Am laufenden Prozesstag sollte sie zu ihrer Auswertung eines Handys und eines E-Mail-Postfachs aussagen.

Bei dem Handy handelte es sich um ein Mobiltelefon der Marke Swissstone und einer zugehörigen SIM-Karte des Mobilfunkproviders Lebara. Dieses sei bereits, bevor es vom LKA Sachsen ausgewertet wurde, teilweise durch die Thüringer Polizei ausgewertet worden, die Screenshots der auf dem Handy gespeicherten Anruflisten gemacht hätte. In Sachsen sei nur die SIM-Karte automatisch ausgewertet worden und dort lediglich eine gespeicherte Rufnummer und einige Service-SMS, die durch die Aktivierung der SIM-Karte entstanden seien, gefunden worden. Durch eine manuelle Auswertung des Handys durch Navigieren durch das Menü und anfertigen von Fotos des Bildschirms seien weitere Anruflisten auf dem Handy gefunden worden. Zu der auf der SIM-Karte gespeicherten Rufnummer wurde eine Abfrage beim Provider gemacht, es seien dort jedoch nur Fakedaten für die Registrierung hinterlegt gewesen, aus denen auf keine reale Person geschlossen werden könne. Beim LKA Sachsen seien Fotos von auf dem Handy gespeicherten Einträgen zu ausgehenden Anrufen gemacht worden. Dabei wurde festgestellt, dass das auf dem Handy eingestellte Datum nicht stimme. Dies wurde anschließend mit Verbindungsdaten, die beim Provider Lebara durch eine „100G-Abfrage“ abgefragt wurden, bestätigt worden und daraufhin die Realzeit der Anrufe rekonstruiert worden. Die Zeugin wies darauf hin, dass Anrufversuche, die nicht angenommen werden, nicht in den 100G-Daten der Provider auftauchen würden. Über die Verbindungsdaten sei Kommunikation zu zwei weiteren Nummern festgestellt worden, die auch auf dem Handy, jedoch nicht auf der SIM-Karte eingespeichert gewesen seien. Alle SIM-Karten seien am gleichen Tag aktiviert worden und das LKA hätte auch hier nur Fakedaten als Anschlussinhaber:innen zurückerhalten, die sie keinen realen Personen hätten zuordnen können. Die Verbindungsdaten der Rufnummern seien für den gesamten Zeitpunkt seit ihrer Aktivierung abgefragt worden. Bis auf Aktivierungs-SMS hätte es nur am 13. und 14.12.2019 Kommunikation über die Anschlüsse gegeben. Auf dem Handy seien nach der Beschlagnahmung durch die Polizei noch einige weitere Anrufversuche durch eine der Nummern eingegangen, die nicht mehr angenommen worden seien und nur in der Liste der verpassten Anrufe aufgetaucht seien. OStA Geilhorn befragte die Zeugin anschließend noch zwischen welchen der drei Rufnummern anteilig die meiste Kommunikation stattgefunden habe.

Anschließend ging es um ein E-Mail-Postfach, das einem in einem abgetrennten Verfahren Beschuldigten zugeordnet werde. Auf dieses sei das LKA durch die Auswertung eines Handys, das diesem zugeordnet werde, gestoßen und es habe anschließend einen Beschluss zur Beschlagnahmung des Postfachs beim Provider 1&1 gegeben. Die Inhalte des Postfachs seien dann durch 1&1 übermittelt und anschließend durch die Zeugin ausgewertet worden. Der Vorsitzende wies die Zeugin darauf hin, dass es einen Antrag für ein Verwertungsverbot der E-Mails gebe und es deshalb heute nur um die formellen Umstände der Auswertung gehe. Anschließend schilderte die Zeugin noch, dass sie einzelne Dokumente aus dem Postfach ausgedruckt habe und auf den Ausdrucken handschriftliche Notizen zum Fundort im Postfach gemacht habe. Danach wurde die Zeugin unvereidigt entlassen

Nachdem die Zeugin den Saal verlassen hatte, verlas der Vorsitzende mehrere Verfügungen zu Urkunden, die über das Selbstleseverfahren eingeführt wurden. So wurden u.a. die Protokolle der polizeilichen Vernehmungen des Faschisten Leon Ringl zum Gegenstand der Beweisaufnahme. Außerdem wurden einige Fotos über das Selbstleseverfahren formal in das Verfahren eingeführt und die Prozessbeteiligten blätterten durch ihre Kopien der Bilder. Dabei merkte die Verteidigung die schlechte Qualität eines Bildes an, auf dem die Polizei angeblich einen der Angeklagten identifiziert habe und forderte vom Senat eine Erklärung, dass dieser die angebliche Personenidentifikation durch die Polizei, die als Anmerkung am Bild steht, nicht einfach als Tatsachenbehauptung übernahm. Der Vorsitzende gab daraufhin zu Protokoll, dass die bildliche Identifikation von Personen originäre Aufgabe des Senats durch Inaugenscheinnahme sei. OStA Geilhorn versuchte ihn dabei zu unterbrechen, da sie befürchtete, dass er eine Vorabbewertung abgebe. Der Vorsitzende gab daraufhin seine Erklärung weiter zu Protokoll.

Zwischenzeitlich kündigte der Vorsitzende an, dass in der kommenden Woche Polizisten vernommen werden sollen, die Observationen geleitet haben. Die Verteidigung drängte außerdem darauf, dass der Senat endlich über Beweisanträge der Verteidigung entscheidet, die seit langer Zeit offen sind. Der Vorsitzende kündigte an, dass dies im April geschehen soll.


Kino im Gericht
Anschließend wurde ein Propagandafilm in Augenschein genommen, der durch den Berliner Faschisten Sebastian Schmidtke (lebt mittlerweile in Thüringen) unter dem Label „AVOS TV“ produziert wurde. In diesem Film kommen mehrere Faschisten wie z.B. Leon Ringl, Enrico Böhm und Cedrik Scholz zu Wort, die angeblich Opfer linker Gewalt geworden seien. Außerdem beklagen sich die Faschisten Tommy Frenck aus Kloster Veßra und Ricky Nixdorf aus Sonneberg, dass es in ihren Szeneimmobilien gebrannt habe bzw. diese gänzlich abgebrannt seien. In technisch miserabel aufgenommenen Interviews erzählten die interviewten Faschisten über die Gesamtdauer von knapp einer Stunde Lügen über angebliche Angriffe auf sie. Weiterhin nutzten sie diese Bühne, um ihre Kameraden aufzurufen, trotz antifaschistischer Interventionen weiter neonazistisch aktiv zu bleiben. Am Ende des Films wurde ein zweiter Teil angekündigt, der jedoch seit Monaten nicht erschienen ist, da die Videoschnitttechnik des Faschisten Schmidtke defekt sei.

Nach in Augenscheinnahme des Videos endete der Prozesstag um 15:45 Uhr.

Der nächste Prozesstag findet am 06. April 2022 um 09:30 am OLG Dresden statt.