Bericht vom 34. Prozesstag – 09.03.2022

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Bericht vom 34. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 09.03.22:

Der 34. Hauptverhandlungstag begann mit mehr als zwei Stunden Verspätung, da ein Prozessbeteiligter kurzfristig verhindert war.
Ohne weitere Umschweife, lediglich mir der kurzen Anmerkung des Vorsitzenden, einer der Angeklagten könnte eventuell seinen beschlagnahmten Laptop bald wieder zurück bekommen, wurde der Prozess mit einer Zeugenvernehmung fortgesetzt.

Der 60 jährige Taxifahrer Klaus Dieter „Taxiklaus“ A., war während des Angriffs auf die Nazikneipe Bull’s Eye anwesend und sollte eigentlich einen Fahrgast abholen. So wurde er, nach eigener Aussage, telefonisch kontaktiert, dass ein Fahrgast in der Gaststätte abgeholt werden möchte. Sodann soll er sein Fahrzeug vor der Kneipe abgestellt haben und ins Innere gegangen sein, um sich beim Betreiber Leon Ringl anzumelden. Zu diesem habe er ein Kennverhältnis, da er öfter Fahrgäste dort abholen würde. Ringl habe seine Telefonnummer bzw. er auch die von Ringl, dieser sei ein Stammkunde. Das Bull‘s Eye ordnete er der rechten Szene zu und meinte, es sei mit Patrick Wieschke, NPD-Stadtrat, befreundet. Sie helfen sich gegenseitig bei Veranstaltungen mit Personal aus.
Da der Gast, den er abholen sollte, sein Bier noch nicht ausgetrunken hatte, wartete Taxiklaus auf diesen. Wenige Minuten später sollen mehrere dunkle, schwarzvermummte Gestalten in den Laden gestürmt sein, diese sollen mit Pfefferspray um sich gesprüht haben, wobei der Zeuge Atemreizungen davon trug, die durch seine Lungenvorerkrankung verschlimmert wurde.
Der Zeuge gab an, dass neben ihm Maximilian Andreas, auch dieser sei ihm schon vorher bekannt gewesen, stand, der habe ihm den Stuhl weggezogen, um sich mit diesem zu verteidigen. Dabei soll der Zeuge gestürzt sein und sich durch die Splitter der Gläser, die vom Betreiber Leon Ringl gegen die Angreifenden geworfen wurden, am Finger verletzt haben. Der Angriff soll insgesamt nur wenige Sekunden gedauert haben. Der Vorsitzende befragte den Zeugen zu den spezifischen Abläufen und den genauen Uhrzeiten, welche er noch bei der polizeilichen Vernehmung kurz nach der Tat angegeben hatte.

Bemerkenswert waren die Schwierigkeiten, die der Richter Schlüter-Staats hatte, den Zeugen zu verstehen. So fragte letzterer mehrmals den Vorsitzenden, was ihn dieser gerade gefragt hatte, Schlüter-Staats verstand die Nachfrage jedoch als Antwort auf selbige, machte sich Notizen und ignorierte die weiteren Fragen zum Verständnis. Das Missverständnis konnte vom Stellvertreter Gorian aufgeklärt werden, andere folgende Hörunverständnisse blieben jedoch ohne Korrektur.

Der Zeuge gab weiter an, der Maximilian Andreas sei „recht aktiv“ gewesen, womit er dessen Beteiligung an der Auseinandersetzung mit dem Barhocker, auf dem noch kurz vorher Taxiklaus gesessen hatte, meinte.
Insgesamt habe er aber von dem Angriff nicht so sehr viel wahrnehmen können, da er durch Reizgas in der Sicht beeinträchtigt war, weiter sei die Beleuchtung „nicht ganz so dolle“ gewesen. Er konnte erinnern, dass wohl einer der Angreifer ein, von Ringl geworfenes, Bierglas abbekommen haben soll, sah jedoch lediglich die Abwehrbewegung nach dem vermeintlichen Treffer.

Sein Gesamteindruck zu Beginn des Angriffs sei gewesen, die Polizei stürme den Laden. Diese Aussage erheiterte und verwunderte die Richterschaft sichtlich. Auf Nachfrage des Vorsitzenden erläuterte Taxiklaus, dass diese ja schon öfter mal in Eisenach vorbei geschaut hätte, auch bei Leon Ringl zu Hause. Das vermummte und brachiale Auftreten habe jedenfalls diese Erinnerung in ihm hervorgerufen. Nachdem Schlüter-Staats erneut seine Verwunderung über diese Einschätzung zum Ausdruck brachte, entgegnete der Zeuge: „Naja, wer gegen Spaziergänger zwei Wasserwerfer auffährt, gegen das eigene Volk, das ist schon ein bisschen heftig.“ Allgemeine Heiterkeit über diesen Diskurs war die Folge im Gerichtssaal.

Weitere Nachfragen und zusätzliche Vorhalte aus den beiden polizeilichen Vernehmungen kurz nach der Tat spezifizierten die Aussage Herrn A. zum Erscheinungsbild des Täters, der das Glas abbekommen habe. Dieser soll der größte aller Angreifer gewesen sein, also mindestens 1,90 m groß.
Unmittelbar nach dem Angriff wurde der Zeuge von den Gästen oder dem Betreiber gebeten, mit dem Taxi los zufahren und zu schauen, ob er die Angreifenden findet. Der Zeuge gab an, er habe sich in Richtung Innenstadt bewegt, jedoch niemanden sehen können. Während dieser Fahrt habe er zweimal die Polizei angerufen, konnte jedoch wegen der Atemnot nicht sprechen.

Einige Wochen nach dem Angriff auf das Bull‘s Eye habe ein Fahrgast noch einmal über den Angriff gesprochen und ihm sei berichtet worden, dass eine Frau an der Tat beteiligt gewesen sein soll. Er meinte eventuell habe eine Person eine weibliche Statur gehabt, aber er könne sich nicht erinnern. Der Vorsitzende war der Meinung, dass es für einen Durchschnittstaxifahrer eine Überraschung sein müsse, wenn gesagt werden würde, eine Frau sein dabei gewesen. Insgesamt schien der Zeuge durch seinen Beruf über vieles in Kenntnis zu sein, was sich in Eisenach, aber auch rund um Leon Ringl abspiele.

Bei der Befragung durch die Verteidigung wurde dieser erneut mehrfach vom Vorsitzenden unterbrochen. Die Verteidigung bat ihn, Bescheid zu geben, sobald sie das Fragerecht wieder habe, sie sind es ja gewohnt, dass es im Saal kein ununterbrochenes Fragerecht gibt.

Bei dem Zeugen meldeten sich auch die Nebenklagevertreter Kruppe (früher Tripp) und Hannig zu Wort, welche sich bemühte, eine Bestätigung für eine kleine, möglicherweise weibliche, beteiligte Person am Angriff zu bekommen, die der Zeuge jedoch nicht lieferte.

Beim nächsten Zeugen handelte es sich um einen jungen Mann, der kurz nach dem Angriff im Bull’s Eye, einige hundert Meter entfernt unterwegs war. Begleitet von einigen Freunden war die Gruppe auf dem Weg zum AquaPlex, einem lokalen Schwimmbad. Kurz nach Überqueren der Hörsel, auf einer dunkleren Einbahnstraße, nahm der Zeuge nach eigener Angabe wahr, wie eine Gruppe Menschen in verschiedene Autos stieg, um diese dem Vernehmen nach zu stehlen. Der Zeuge, der sich selbst sehr gut mit Autos auskannte, beschrieb eine Reihe Fahrzeuge, welche von der erwähnten Gruppe abgeklingt worden sein sollen und sofern diese denn unverschlossen waren, in Folge entwendet wurden. Kurze Zeit später wurde der Zeuge mit seiner Gruppe von einer Streife angehalten und kontrolliert, der Zeuge gab an, wohl mit den Autodieben verwechselt worden zu sein, die Sachlage aber schnell aufgeklärt zu haben.
Der Vorsitzende befragte den Zeugen nach verschiedenen Details zum Hergang des beobachteten Vorfalls. Nach einer kurzen Pause erläuterte der Senat, dass dieser in der Aussage des Zeugen keine Relevanz für den vorliegenden Fall erkennen könnte, es handele sich offenbar um einen gänzlich anderen Vorfall, jedenfalls nicht um die Tatverdächtigen.
Die Verteidigung beantragte diese Wertung zu protokollieren, in diesem Fall würden sie einer Entlassung anstelle einer tiefergehenden Befragung des Zeugen zustimmen.
Bundesanwalt Bodo Vogler widersprach der Protokollierung, da er ungern Einschätzungen des Gerichts protokolliert wissen möchte, die nicht in die Doktrin der Bundesanwaltschaft passen. Kurz und knapp, wurde das Offensichtliche protokolliert und der Zeuge entlassen.

Im Anschluss folgte ein Beweisantrag der Verteidigung auf Aktenbeiziehung. So ergäbe ein Auszug des Bundeszentralregister zahlreiche Vorstrafen von Leon Ringl, gegen diesen ist ermittelt worden wegen des Vorwurfs der falschen Verdächtigung, mehrmals wegen gefährlicher Körperverletzung, Verstoß gegen sowohl das Waffengesetz als auch des Versammlungsgesetz, auch das Zeigen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen durfte selbstverständliche im Repertoire nicht fehlen.
Die Ermittlungsakten zu den jeweiligen Strafverfahren sollen beigezogen werden, auch um die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu prüfen. Anhand der Aktenlage kann geprüft werden, ob etwaige Fragen, die zum Ziel haben, die ideologische Verknüpfung Ringls, sowie seine herausragende Position in militanten Nazistrukturen in Ostdeutschland zu belegen.

Der Vorsitzende lehnte den Antrag ab, da er keine Notwendigkeit sähe, diese Akten vor der Befragung des Zeugen zu sichten.

Der Prozesstag endete um 15:45 Uhr. Der nächste Prozesstag ist der 10.03.22 um 09:00 Uhr am OLG Dresden.