Die Rolle der Soko Linx

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Der politische Wille hinter den Ermittlungen und die Konstruktion einer Vereinigung


Eine besondere Rolle kommt in dem Verfahren gegen die nach § 129 StGB verfolgten Antifaschist:innen der Soko LinX zu. Diese Sonderkommission ist eine Ermittlungsgruppe des sächsischen LKA, die in diesem Verfahren im Auftrag der Bundesanwaltschaft ermittelt (siehe: Bundesanwaltschaft). Sie zeichnet sich durch einen besonderen Ermittlungseifer und eine erstaunliche Bereitschaft zu abenteuerlichen Interpretationen und Behauptungen aus. Das ist keine Überraschung, betrachtet man das sächsische LKA und die unrühmliche Geschichte der Soko etwas genauer. Auf beides gehen wir zunächst allgemein und dann nochmal spezifischer mit Bezug auf das Antifa-Ost-Verfahren ein.

Die Soko LinX und das sächsische LKA: Rechte Verstrickungen und dubiose Ermittlungsmethoden

Die Soko LinX wurde im Zuge des Leipziger Bürgermeisterwahlkampfes im November 2019 vom damaligen CDU-Justizminister Gemkow und CDU-Innenminister Wöller unter massiver medialer Aufmerksamkeit gegründet, um dem vermeintlichen Linksextremismus in Sachsen den Kampf anzusagen. Es handelte sich dabei um  ein Wahlkampfmanöver – gegen die Stimmen der Koalitionspartner:innen. Weil es der sächsischen CDU wichtig war, am rechten Rand zu fischen, erschien die Gründung der Soko als ein willkommenes Signal. Dieser Versuch, der AfD durch eine Selbstinszenierung als Partei der Sicherheit und Ordnung die Wähler:innen abzugraben, erfolgte in einer Situation massiver politischer Hetze gegen linkes politisches Engagement. In diesem Sinne trat die Soko LinX von Anfang an als politischer Akteur in Erscheinung und ging mit einer neuen Vehemenz gegen Linke im Freistaat vor – wobei sie es mit den Gesetzen oft selbst nicht allzu genau nahm.

So wurden beispielsweise von den neun Hausdurchsuchungen des 10.06.2020 in Leipzig, von denen sich einige gegen im hießigen Verfahren Beschuldigten richtete, mittlerweile bereits zwei für rechtswidrig erklärt. Ein weiterer Fehlgriff der Soko war die als großer Ermittlungserfolg verkaufte Festnahme und Inhaftierung zweier Männer in Dresden, die vermeintlich für zwei Brandanschläge verantwortlich gewesen sein sollen. Die Beweislage in diesem Fall löste sich schon bald in Luft auf und sie mussten wieder entlassen werden. Des Weiteren macht die Soko seit längerem mit spektakulären Fahndungsaufrufen auf sich aufmerksam, bei denen Kopfgelder in erstaunlicher Höhe auf angeblich linke Straftäter:innen ausgesetzt werden. Im August waren es bereits 300.000 Euro Steuergelder.

Ebenfalls in keinem allzu guten Licht ließ das sächsische LKA der Skandal um die Dresdner MEK-Einheit erscheinen, welche im Anschluss komplett aufgelöst wurde. Die MEK-Beamten hatten in großem Umfang Munition verschwinden lassen und selbstorganisierte Schießtrainings bei einem Schießstand mit Verstrickungen zu dem rechtsradikalen Prepper-Netzwerk Nordkreuz veranstaltet. Die Frage, ob eben jene Beamte auch Lina und andere in diesem Verfahren Beschuldigte observierten, wollte die Landesregierung bisher nicht beantworten. Ebenfalls offen ist, wie es passieren konnte, dass Informationen über Hausdurchsuchungen, die kürzlich unter Federführung der Soko LinX in Connewitz stattfanden nur binnen weniger Stunden bei dem rechtsradikalen Nachrichtenmagazin Compact landen konnten. Selbiges gilt für Aktendetails aus dem laufenden § 129-Verfahren. Die Liste der Skandale um das sächsische LKA und dessen Soko LinX ließe sich leider noch länger fortführen. Unsere Chronik (siehe: Chronik) bietet hier einen Überblick.

Die Erfindung einer Vereinigung und ihre Folgen

Der politische Wille und die Zielsetzung der sächsischen Ermittlungsbehörden zeigen sich auch in diesem Verfahren nur allzu deutlich. Immer wieder werden Ermittlungserkenntnisse, wie z.B. Beobachtungen im Zuge von Observationen, Asservate, die bei den zahlreichen Hausdurchsuchungen gefunden wurden, oder abgehörte Kommunikation im Sinne der Ermittlungsthese umgedeutet. So kann etwa ein gemeinsames Limo-Trinken im Park schnell zum konspirativen Planungstreffen, ein gemütlicher Spaziergang zur Besprechung von Straftaten und normale Summen an Bargeld zur Vorbereitung des Abtauchens in den Untergrund werden. Bekanntschaften werden im Sinne politischer Komplizenschaften gedeutet, eine Chat-Kommunikation, deren Inhalt nicht bekannt ist, wird zur Vereinigungskommunikation und eigentlich nicht strafbare Handlungen werden im Kontext der konstruierten Vereinigung zu Straftaten oder konspirativem Verhalten.

Anhand dieser Beispiele wird die Problematik des § 129 StGB deutlich: Durch eine Konstruktion des LKA wird ein ganzer Personenkreis kriminalisiert und Bekanntschaften werden auf einmal zu Vereinigungsmitgliedschaften. Um jenen Ermittlungsthesen Nachdruck zu verleihen, werden dann auch mal Hausdurchsuchungen in Connewitz mit einem martialischen Großeinsatz samt Maschinenpistolen als mediales Happening inszeniert oder eine Beschuldigte per Hubschrauber nach Karlsruhe geflogen. Ziel ist eine Darstellung der verfolgten Antifaschist:innen als Terroristen, als Bedrohung für Staat und Gesellschaft. Dies bietet die Grundlage, um mittels außergewöhnlicher Ermittlungsmaßnahmen tief in die Privatsphäre der Beschuldigten einzudringen.

So wurde etwa über Monate hinweg sämtliche Telekommunikation der Beschuldigten überwacht, wurden intensive Finanzermittlungen durchgeführt und auch der Mailverkehr unter die Lupe genommen. Bei den Hausdurchsuchungen wurden Methoden angewendet, die das übliche polizeiliche Vorgehen weit überschreiten. So wurde mindestens einem Beschuldigten Stoff über den Kopf gezogen, Personen wurden stundenlang bei Kälte in Unterwäsche gefesselt gelassen, nicht-beschuldigte Personen wurden im Zuge der Hausdurchsuchungen fixiert, der Kontakt zu Anwält:innen wurde teilweise verwehrt und es wurden auch Geräte Unbeteiligter beschlagnahmt. Wenig überraschend wurden außerdem viele Wohnungen komplett verwüstet und auch Alltagsgegenstände zu Tatmitteln erklärt.

Mediale Inszenierung und Kriminalisierung von Antifaschismus

Auf Drängen der Soko LinX ist Lina seit nunmehr über neun Monaten in Untersuchungshaft, obwohl eigentlich keine validen U-Haft-Gründe gegeben sind. Völlig normale Umstände wie erspartes Bargeld oder eine Anmietung der Wohnung durch die Eltern sowie die eigene Unfähigkeit bei Observationen werden der Beschuldigten als Verdunklungsgefahr und Klandestinität ausgelegt. Nach der selbstbezüglichen Logik der Behörden wurde durch den Hubschrauber-Flug nach Karlsruhe das Bild einer Terroristin bewusst produziert, um durch eben jenes im Anschluss die Untersuchungshaft zu rechtfertigen.

Um dieses Vorhaben zu unterstützen, wurden zusätzlich immer wieder gezielt Akteninhalte an rechte und konservative Medien, wie etwa den Welt-Journalisten Ibrahim Nader, durchgestochen, um die öffentliche Hetze gegen die Beschuldigten zu unterfüttern. Dies geschah, wie bereits in einer Pressemitteilung von Linas Verteidigern kritisiert, während Beschuldigte und ihre Anwält:innen noch nicht einmal vollständige Akteneinsicht hatten. Das führte dazu, dass diese von einigen Vorwürfen und Konstruktionen des LKA selbst erst aus der Springerpresse erfuhren. Da jedes Gerichtsverfahren auch von den öffentlichen und medialen Diskursen um dieses herum geprägt ist, wird offensichtlich, dass die Soko LinX durch jene gezielte Öffentlichkeitsarbeit versucht, bereits im Vorhinein Einfluss auf den Verlauf des Verfahrens zu nehmen. Dirk Münster, Chef der Soko Linx, demonstrierte dies und seine eigene politische Gesinnung durch seine reißerischen und realitätsfremden Aussagen in verschiedenen Medienauftritten eindrücklich.

Angesichts der Vorwürfe erscheint es nach rechtsstaatlichen Standards bereits fragwürdig, überhaupt derart tief in die Privatsphäre der Beschuldigten einzudringen, Telefone abzuhören und Fahrzeuge zu verwanzen. Dass aber während laufender Ermittlungen, während noch die Unschuldsvermutung gilt, bestimmte Gesprächsinhalte aus Abhörprotokollen gezielt an die Presse gegeben wurden, ist überaus besorgniserregend. Dass diese dabei völlig aus dem Kontext gerissen wurden, um die Botschaft der Ermittlungsbehörden zu untermalen, passt leider in dieses Bild. Ebenso passt ins Bild, was Recherchen des Leipziger Stadtmagazins kreuzer kürzlich ans Licht brachten: Die Beamten der Soko LinX arbeiten seit 2018 mit Material, das ihnen aus dem engen persönlichen Umfeld des Leipziger Neonazis Enrico Böhm (siehe: die-Neonazis) übergeben wurde. Dieser wird mittlerweile ebenfalls als angebliches „Opfer“ der konstruierten Vereinigung dargestellt. Wenn eine Ermittlungsbehörde wie die Soko LinX, welche nach deutscher Tradition mit fragwürdigen Methoden und martialischem Aufgebot gegen Linke vorgeht, dann auch noch mit einem vorbestraften rechtsradikalen Gewalttäter zusammenarbietet, wirft das einige Fragen auf.

Insgesamt entsteht durch das Agieren der Soko LinX in diesem wie auch in weiteren Verfahren ein klarer Eindruck: Während bei rechtem Terror und rechter Straßengewalt regelmäßig von Einzeltätern die Rede ist und diese Taten kontinuierlich entpolitisiert und verharmlost werden, werden bei Linken – und insbesondere Antifaschist:innen – Netzwerke und Strukturen konstruiert und ganze soziale Umfelder kriminalisiert.